Integrationsproblem: Kleingärtner für Migranten-Limit

Eine Gartenkolonie in Norderstedt stimmt über Ausländerquoten ab. Die Mehrheit will eine Quote, die Einwanderer zudem in Gruppen einteilt. Die Begründung: Zu viele Zuwanderer sprengten die Gemeinschaft

Hier soll, wenn es nach der Mehrheit geht, alles seine Ordnung haben: der Kleingartenverein Harksheide in Norderstedt. Bild: Alexander Kohn

HAMBURG taz | Breite Empörung hat ein Migranten-Limit hervorgerufen, für das sich der Kleingartenverein Harksheide in Norderstedt mehrheitlich ausgesprochen hat. "Wir sind sprachlos und entsetzt", sagte Hauke Borchardt, Sprecher der Stadt Norderstedt. Vertreter der Parteien sowie der Kreis- und Landesverband der Gartenfreunde distanzierten sich und verlangten, die Sache müsse aus der Welt geschafft werden. "Wir halten das für völlig unakzeptabel und rechtlich zweifelhaft", sagte der Beauftragte für Zuwanderungsfragen beim schleswig-holsteinischen Landtag, Torsten Döhring.

Der Vorstand des Kleingartenvereins hatte bei einer Anlagenversammlung am 20. November darüber abstimmen lassen, ob in Zukunft 12,6 Prozent, 19 Prozent oder 27 Prozent der Parzellen an Einwanderer vergeben werden sollten - entsprechend dem Ausländeranteil in Deutschland, Norderstedt und Hamburg. 41 von 70 anwesenden Mitgliedern stimmten für die niedrigste Quote, die zudem nach Einwanderergruppen aufgegliedert werden sollte: ein Viertel Türken oder Araber, ein Viertel Osteuropäer, der Rest sonstiger Herkunft.

"Wir wollten ein ehrliches Meinungsbild", sagt Vorstandsmitglied Rainer M. Rohde. Das Ergebnis sei niederschmetternd. Der Vorstand habe abstimmen lassen, weil er es schwierig fand, angesichts des bestehenden Anteils von Pächtern aus Einwandererfamilien die Gemeinschaft zusammenzuhalten. "Bei der jetzigen Menge, die wir haben, sind wir gescheitert", sagt Rohde.

Das Problem bestehe darin, dass sich viele der aus Russland stammenden Einwanderer abschotteten. Sie entzögen sich geselligen Anlässen und übernähmen keine Ehrenämter im Verein. "Die Zuwendung der Gartenfreunde stößt auf kein Echo", sagt Rohde. Einige der Zuwanderer hätten andere Trinkgewohnheiten, sie gäben sich keine Mühe, Deutsch zu sprechen. Er sei für Integration und finde es toll, andere Gebräuche kennenzulernen. "Es kann aber nicht sein, dass ich mich an deren Sitten anpassen muss", findet er. Das Stimmungsbild zu machen, sei eine Dummheit gewesen.

"Das muss zurückgenommen werden", fordert, Klaus-Dieter Eich, der Vorsitzende des Kreisverbandes Segeberg der Gartenfreunde. Er wundere sich, wie man auf so eine Idee kommen könne. Der Anteil an Zuwanderern sei "immer ein Thema"; es habe aber noch nie Probleme gegeben. "Wir haben unter uns Deutschen genug, die sich nicht an die Regeln halten", sagt er.

Auch Zuwanderer mögen Kleingärten. Das zeigt eine 2007 veröffentlichte Erhebung des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde unter Funktionsträgern auf Landes-, Kreis- und Ortsebene.

Einen Migrationshintergrund haben 300.000 von vier Millionen Kleingärtnern, also 7,5 Prozent.

In Schleswig-Holstein ist der Anteil der Einwanderer unter den Pächtern dreimal so hoch wie der Anteil an der Bevölkerung.

Keine Unterschiede zwischen Migranten und Eingesessenen erkennen 55 Prozent der Befragten bei der Befolgung der Gartenordnung. 20 Prozent bemängelten deren Nicht-Einhaltung, 22 Prozent die Nichteinhaltung der Ruhezeiten.

Probleme mit Migranten: 51 Prozent gaben "keine" an. 19 Prozent bemängelten Verstöße gegen die Gartenordnung, 9,5 Prozent eine mangelnde Teilnahme am Vereinsleben.

Klaus-Dieter Schiller, der Vorsitzende des Landesverbandes verweist auf die vielen Projekte der Gartenfreunde zur Integration. Der Kreisverband Lübeck betreibe allein vier Projekte für Migranten, darunter einen Garten für afghanische Flüchtlinge. Im kommenden Jahr sollten vier interkulturelle Gärten entstehen. Die Satzungen würden in mehrere Sprachen übersetzt. Der Paragraf zwei der Satzung des Landesverbandes formuliert das Ziel, soziale Gemeinschaften zu fördern, "unter Einbeziehung von Familien, Alleinerziehenden, Jugendlichen, Senioren, Behinderten, sozial Benachteiligten und Ausländern".

Der Zuwanderungsbeauftragte Döring hält die vorgeschlagene Quotierung "für einen Schlag ins Gesicht der Zuwanderer". Im Hinblick auf Kleingartenvereine sei das der erste Fall, der ihm bekannt geworden sei. Allerdings gebe es in allen Bereichen immer wieder Diskriminierungsfälle. Eine Quotierung widerspräche seiner Ansicht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und könnte Schadenersatz rechfertigen.

Vereinsvorstand Rohde verweist darauf, dass das Gesetz bei der Vermietung von Wohnungen "eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Erhaltung und Schaffung sozial stabiler Bewohnerstrukturen" zulasse. Das müsse auch für einen Kleingartenverein gelten. Im übrigen überlasse es die Politik den Vereinen, die Menschen zu integrieren. Norderstedts Bürgermeister Hans-Joachim Grote erwartet zwar eine Entschuldigung, er verspricht aber auch zu helfen. "Man muss an die Ursachen heran", sagt sein Sprecher.

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