SPD-Stimmzettelklau wird zur Geheimsache

Der Abschlussbericht zum spektakulären Wahlzettel-Diebstahl bei der Hamburger SPD-Kandidatenkür im März 2007 bleibt als Verschlusssache im Safe. Die Sozialdemokraten der Hansestadt gehen deshalb munter aufeinander los

Es war die Schlamperei des Jahres: Als die Hamburger SPD im März 2007 nach einer Mitgliederbefragung ihren Bürgermeister-Kandidaten küren wollte, waren rund 1.000 Stimmzettel aus der Wahlurne spurlos verschwunden. Die hanseastische SPD stürzte in ihre bislang schwerste Krise, der aussichtsreichste Bewerber, Parteichef Mathias Petersen, musste nach dem Debakel zurück in die dritte Reihe. Stattdessen kam Zeit-Mitherausgeber Michael Naumann wie Kai aus der Kiste zum Job des Ole von Beust-Herausforderers.

Seitdem wartet die Öffentlichkeit auf sachdienliche Hinweise zur Aufklärung des dubiosen Wahlstimmenklaus in der Hamburger SPD-Zentrale. Doch die wird es nicht geben: Ein parteiinterner Untersuchungsbericht ist zwar fertig, doch verschwand er sogleich vorsorglich im Safe.

Unter Führung des Ex-Bürgerschaftsabgeordneten Jürgen Grambow (SPD) wollten die Sozialdemokraten den Diebstahl parteiintern aufklären. Doch die Ergebnisse der Grambow-Kommission will Hamburgs SPD-Parteichef Ingo Egloff partout nicht veröffentlichen, um Spekulationen vorzubeugen und Unschuldige nicht einem unberechtigtem Verdacht auszusetzen.

Auf Konfrontationskurs zu Egloff geht jetzt die Lokstedter SPD zusammen mit dem SPD-Bürgerschaftsabgeordneten und treuen Petersen-Gefolgsmann Thomas Böwer. Der Chef des SPD-Ortsverbandes Lokstedt, Ernst Christian Schütt, kündigt an, „keine Ruhe“ zu geben, bis der Untersuchungsbericht veröffentlicht sei. Dabei gehe es ihm ausschließlich um Aufklärung und keineswegs darum, „alte Rechnungen zu begleichen“, auch wenn das von Seiten der Parteispitze behauptet werde. Böwer fordert seine Partei auf, „nicht länger die Augen vor dem Problem zu verschließen“ und das Papier publik zu machen.

Egloff hingegen besteht darauf, dass das Papier im Safe bleiben werde. Die Kommission habe den Täter ebenso wenig wie Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelt. Doch bei der Menge an Details in dem Bericht könnte ein Verdacht gegen einzelne Mitarbeiter konstruiert werden, die zu dem Zeitpunkt zufällig in der Parteizentrale arbeiteten, befürchtet der SPD-Chef. Diese wolle er vor ungerechtfertigten Anschuldigungen schützen.

Der Kreisvorsitzende der Hamburg-Bergedorfer SPD, Thies Rabe, unterstützt Egloffs Geheimhaltungspolitik. Er vermutet, dass es Böwer gar nicht um Aufklärung gehe, sondern nur darum, seiner Partei zu schaden. MARCO CARINI