Interview mit Hans-Gerd Jaschke: "Im Gänsemarsch zur Demokratie"

Immerhin: Die Fremdenfeindlichkeit in Brandenburg stagniert, sagt der Politologe und Rechtsextremismusexperte Jaschke.

Erinnerung in Eberwalde an den ersten von vielen aus rassistischen Motiven Ermordeten: Amadeu Antonio. Bild: dpa

taz: Herr Jaschke, Sie haben in einem Gutachten für den Landtag in Potsdam festgestellt, dass Rechtsextremismus großen wirtschaftlichen Schaden in Brandenburg angerichtet hat.

Hans-Gerd Jaschke: Ich habe unter anderem eine Studie verwendet, die untersucht, wie sich der Anschlag auf Amadeo Antonio 1990 und andere rassistische Angriffe wirtschaftlich ausgewirkt haben. Das Ergebnis ist deutlich: Für Unternehmen waren einige ostdeutsche Städte und Regionen schwieriges Gelände. Städte in Deutschland stehen heute im Konkurrenzkampf um Investitionen, und da sie in den meisten Fällen keine Rohstoffe haben, spielen Faktoren wie Steuererleichterungen, aber auch kulturelle Aspekte die entscheidende Rolle. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind sehr negative Standortfaktoren.

Was unter Umständen dazu führen kann, dass rechtsextreme Vorfälle verheimlicht oder verharmlost werden.

59, ist Politikprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Schwerpunkt seiner Arbeit ist Rechtsextremismusforschung. Für die DDR-Enquetekommission forschte er über die politische Kultur in Brandenburg.

Das war lange Zeit tatsächlich der Fall. Die Politik in Brandenburg hat spät reagiert - erst in der zweiten Hälfte der 90er Jahre. 1998 wurde das Handlungskonzept "Tolerantes Brandenburg" ins Leben gerufen, in dem staatliche Stellen, NGOs und inzwischen auch Unternehmen zusammenarbeiten. Es ging zunächst um Beratungsarbeit, inzwischen auch um die Stärkung der Zivilgesellschaft. Es handelt sich um ein erfolgreiches Projekt, das heute auch in anderen Bundesländern als Vorbild gilt.

Die Fremdenfeindlichkeit in Brandenburg hat also seit den 90ern abgenommen?

Seit 2000 können wir eine Stagnation fremdenfeindlicher und rassistischer Einstellungen beobachten, insbesondere unter jüngeren Brandenburgern.

Dennoch sehen Sie ein geringes Interesse an der Demokratie.

Was die politische Beteiligung angeht, steht Brandenburg schlecht da, auch im Vergleich mit anderen neuen Bundesländern. Das betrifft das Wahlverhalten und Mitgliedschaften in Parteien, aber auch gesellschaftliches Engagement in Vereinen, Sozialkontakte mit Freunden oder die Internetnutzung. Brandenburg marschiert im Gänseschritt in Richtung Demokratie.

Vermutlich gibt es da einen großen Unterschied zwischen Potsdam und den ländlichen Gebieten.

Ja. Wir haben eine deutliche Spaltung zwischen berlinnahen und berlinfernen Gegenden. Nicht nur sozial, auch im Hinblick auf politische Beteiligung. Die ist in den berlinfernen Teilen deutlich niedriger. Das hat zum einen mit Migration zu tun - vor allem Junge und Gebildete ziehen aus den ländlichen Gebieten weg. Daneben spielt aber auch das Fehlen von Infrastruktur eine Rolle. Parteien und politische Organisationen haben sich aus diesen Gebieten zurückgezogen, es gibt zu wenig Bildungsangebote. Darin sehe ich auch ein Versagen der Politik. Die hat weite Teile Brandenburgs strukturell vernachlässigt. Da gibt es in den nächsten Jahren viel nachzuholen.

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