Mehr billige Arbeit

Neues Luftfrachtdrehkreuz soll 3.500 Arbeitsplätze schaffen. Anwohnerproteste begleiten Eröffnung

LEIPZIG taz ■ Es ist 21.30 Uhr. Christina Ludwig (Name geändert) fährt zur Arbeit. 50 Autobahnkilometer hat sie vor sich. Erst am frühen Morgen, gegen sieben Uhr, wird sie wieder zu Hause sein. Sie arbeitet am Luftfrachtdrehkreuz von DHL am Flughafen Leipzig/Halle. Im Verteilzentrum schleppt sie Pakete und sortiert Briefe. Ausschließlich nachts. Sie hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag, in dem steht, dass sie 700 Euro brutto verdient. Zurzeit ist viel zu tun, da kommt sie auf etwas mehr.

3.500 Menschen will Ludwigs Arbeitgeber, die DHL Air Hub Leipzig GmbH, bis zum Jahr 2012 am Flughafen einstellen – bislang sind es rund 2.000. Gleichzeitig sind zwei Drittel der DHL-Arbeitsplätze Teilzeitjobs. Denn das Unternehmen braucht vor allem Menschen, die auf dem Vorfeld oder im Verteilzentrum arbeiten, als „Operations Agent“ oder „Ramp Agent“. Sie sind pro Woche zwischen 22 und 32 Stunden beschäftigt, fast nur nachts.

Ihr Stundenlohn liegt mit 7,56 Euro zwar knapp über dem von den Gewerkschaften geforderten Mindestlohn. Doch aufgrund der geringen Arbeitszeit werde der größte Teil der DHL-Mitarbeiter davon nicht leben können, sagt Andreas Wiedemann, Fachbereichsleiter für Postdienste bei Ver.di in Sachsen. Er schätzt, dass die meisten DHL-Mitarbeiter zusätzlich zum Einkommen Arbeitslosengeld II beantragen müssen, „um tagtäglich über die Runden zu kommen“.

Ludwig sagt, allein das Benzin für die An- und Abfahrt zur Arbeit koste sie 260 Euro pro Monat. Anderen „Ops“ und „Ramps“ geht es ähnlich. Die DHL-Mitarbeiter fahren aus einem Umkreis von etwa 100 Kilometern teilweise bis zu 90 Minuten an, geht aus Unterlagen der Arbeitsagenturen hervor. Zwar stellt DHL Shuttlebusse, doch diese fahren nur in Städten ab.

Teilzeit- und Nachtarbeit gehören bei DHL dazu. Die Frachtflugzeuge landen und starten nachts. Dann müssen die Maschinen innerhalb kurzer Zeit möglichst schnell be- und entladen werden. „Da gibt es Zeitphasen, in denen mehr zu bearbeitende Sendungen da sind. Da müssen wir natürlich mehr Mitarbeiter einsetzen“, erklärt DHL-Sprecher Manfred Hauschild.

Nur, warum können nicht auch Vollzeitbeschäftigte diese Arbeiten erledigen? Mitarbeiter vermuten die Ursachen im Arbeitszeitgesetz. Das schreibt bei einer täglichen Arbeitszeit von unter sechs Stunden keine längeren Pausen vor.

Die Nachtarbeit wirkt sich nicht nur auf die Beschäftigten aus, sondern auch auf die Anwohner: Unter dem Motto „Arbeitslosigkeit macht krank. Lärm auch!“ fanden sich am Rande der Eröffnungsfeier am Montag zahlreiche Bürgerinitiativen ein. Neue Arbeitsplätze würden als Totschlagargument für ostdeutsche Wirtschaftsstandorte genutzt, so Michael Teske, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Nachtflugverbot Leipzig/Halle. Die Gesundheit der Bürger bliebe dabei auf der Strecke. Mit dem Beginn des Sommerflugplans vor zwei Monaten starten und landen täglich rund 60 Flugzeuge auf dem ostdeutschen Airport. SONJA FEHR, ANDRE SEIFERT