ortstermin: gottesdienst für ex-priester und ihre frauen
: Der Schritt nach draußen

Etwas ist anders als in einem normalen katholischen Gottesdienst. Und seien es nur die Brotstückchen, die dekorativ geschichtet sind wie auf einer kalten Platte. Auf dem Altar stehen Teelichter und Tongeschirr, mit Brot und Wein sind sie zu einem geometrischen Muster arrangiert worden. Die „Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen“ feiert in der Kapelle der Heilig-Kreuz-Kirche im Osnabrücker Stadtteil Schinkel ihren Wortgottesdienst, abseits der Massenevents des Katholikentages. In der Vereinigung haben sich Priester und Ordensleute – und ihre Frauen – zusammengeschlossen, die das Zölibat nicht mehr leben wollten und deswegen ihr Amt aufgeben mussten.

„Mit meinem Gott überspringe ich Mauern“, haben sie den Gottesdienst überschrieben. Doch die Energie im Raum würde, um im Bild zu bleiben, kaum reichen, um einen Bordstein zu überwinden. Als die Teilnehmenden aufgefordert sind, ihre Gebetsanliegen zu formulieren, melden sich mit teils stockender Stimme, aber bereitwillig einige Männer und Frauen zu Wort. Die Anliegen sind immer gleich: Gottes Beistand für ein „schweres, schweres Leben“, „ganz ich selbst sein, frei, zufrieden“, Mut für die Entscheidungsträger der Kirche, von denen heute mehr Mut gefordert sei, als sie je hätten zeigen müssen.

Die TeilnehmerInnen sind mindestens mittleren Alters und meistens weiblich. Manche haben Schicksalschläge hinter sich wie Margarete Kirchmann. Sie hat mit einem Priester eine heimliche Beziehung geführt, bis er bei einem Unfall starb. Vom Tod ihres Partners erfuhr sie durch eine Kollegin – und durfte sich ihre Trauer mit keiner Regung anmerken lassen. „Die betroffenen Frauen sind vollkommen isoliert“, sagt sie. Denn wenn sie sich jemandem anvertrauen, könnten sie nicht mehr sicher sein, dass die Beziehung geheim bleibt.

Warum nur so wenige Männer an dem Gottesdienst teilnehmen, erklärt Claus Schiffgen vom Vorstand: „Viele aus dem Dienst ausgeschiedene Priester wollen mit der Kirche nichts mehr zu tun haben. Auch wir sind für sie ‚die Kirche‘.“ Margarete Kirchmann denkt da anders: „Wenn ich in der Kirche etwas kritisieren will, muss ich dableiben.“

Schiffgen sitzt in der vordersten Bank und spielt Gitarre. Zum Vorlesen geht er einen Schritt in die Ecke der Kapelle, wendet sich nur halb der Gemeinde zu. Man würde nicht vermuten, dass er einmal als Priester vorn am Altar gestanden hat. Margarete Kirchmann findet es traurig, dass man „so etwas inszenieren muss, damit die Männer wieder Priester sein können“, sprich: eine abgespeckte Form des Gottesdienstes finden, bei denen die Ex-Priester ihre nunmehr wieder eingeschränkten kirchenrechtlichen Kompetenzen nicht überschreiten müssen.

Claus Schiffgen ist nach einer Verlagstätigkeit und einer erfolglosen Umschulung zum Informatik-Kaufmann wieder im kirchlichen Dienst angekommen – als Religionslehrer. Zwanzig bis vierzig Prozent der Priester würden ihr Amt aufgeben, „wenn sie nicht solche Existenzängste hätten“, schätzt er. Im „goldenen Käfig“ des Priesterseminars umsorgt und auf eine Laufbahn mit Jobgarantie vorbereitet, könnten sich die meisten kein anderes Leben vorstellen.

Die Vereinigung versteht sich als „Feuerwehr mit dem Sprungtuch“, die zeigt, dass der Schritt nach draußen nicht tödlich ist. Die Mitgliederzahlen sind allerdings rückläufig, und die Amtskirche von der Abschaffung des Zölibats zu überzeugen, hat sie so gut wie aufgegeben. „Wer das Zölibat vierzig, fünfzig Jahre gelebt hat und nun abschaffen soll, der müsste sein eigenes Leben in Frage stellen.“ Und den Mut erwartet Schiffgen von der obersten Ebene nicht. ANNEDORE BEELTE