Weltbeat für alle

Damit das Masala-Weltbeat-Festival in Hannover nicht zu einer Seniorenveranstaltung gerät und es nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Saal zu einem Treffen der Generationen kommt, wird versucht das gediegene Image zu entstauben

Ein mausgesichtiger Bursche mit störrischer blonder Kraushaarmähne schlägt auf eine halbrunde arabische Trommel ein. Mit beseeltem Gesicht schaut er auf die tanzenden Zuschauergruppen am Bühnenrand, den vollen Saal. Der Trommler gehört zur achtköpfigen Truppe des Idan Rachel Project, in dem sich die ethnische Vielfalt nicht nur am ganz unterschiedlichen Aussehen der Musiker, sondern auch an der Musik ablesen lässt. So treffen äthiopische, hebräische oder jemenitische Elemente aus biblischen Zeiten auf Afrobeat, US-amerikanisch geprägten New Soul und karibische Rhythmen.

Das Idan Rachel Project war der passende Auftakt zum diesjährigen Masala-Weltbeat-Festival. Diesmal steht es unter dem Motto „Generationen“. Das bezieht sich nicht nur auf das Alter der Musiker, wie Christoph Sure, einer der Organisatoren des Festivals erzählt: „Wir stellen zum Beispiel ganz traditionelle Musik aus den Bergen Korsikas moderner urbane Musik aus Frankreich gegenüber.“ Ein Frauenchor aus Georgien, der nur mit der Stimme arbeitet, gegen „alles an Elektronik, was man so auffahren kann“, wie Sure meint. „Da spielen ganz andere Rhythmen eine Rolle.“

Die anderen Rhythmen helfen sicher auch, eine neue Generation an Masala- Fans anzulocken. Das Publikum ist offensichtlich mit dem „Masala“ mitgewachsen. Die Mehrheit der Besucher, die den Eröffnungsabend auch zum Austausch mit alten Bekannten und zum Sehen und gesehen werden nutzte, ist deutlich älter als 40. Aber man sieht auch einige Grüppchen junger Leute, die man so auch bei einem Indie-Konzert treffen könnte. Damit das Festival nicht in absehbarer Zeit zu einer Seniorenveranstaltung gerät und es nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Saal zu einem Treffen der Generationen kommt, muss es versuchen, sein etwas gediegenes Image zu entstauben. Trotzdem gehört es zu den schönsten Festivals der Weltmusik, wie Marion von Gaudecker sagt: „Ich bin jedes Jahr wieder gern hier.“ Sie ist Promoterin für afrikanische Musik und kennt Festivals auf der ganzen Welt.

Von Gaudecker betreut auch einen Musiker, der heute Abend auf der Bühne stehen wird und dessen Auftritt eines der Highlights des Festivals ist: der südafrikanische Trompeter Hugh Masekela. „Fünf Jahre haben wir versucht, den zu kriegen“, sagt Christoph Sure. Der 69-jährige Musiker hat eine bewegte Lebensgeschichte hinter sich und dabei ging es vor allem immer um eins: Musik. Es saugte den Jazz der 50er Jahre in Sophiatown, dem Harlem von Johannesburg auf, immigrierte in den 60er Jahre nach New York, wo er Soul und Lateinamerikanisches kennen lernte und spielte Afrofunk mit Fela Kuti. Später lebte er in verschiedenen afrikanischen Ländern, ehe er zum Ende der Apartheid wieder in seine Heimat zurückkehren konnte. Ihm gegenüber steht eine junge südafrikanische Band, die unlängst zu Fußballbotschaftern für 2010 ernannt wurden. „Freshly Ground“ sind eine ethnisch bunt gemischte Pop- und Soul-Truppe, die zum Ende des Festivals am 1. Juni spielen werden.

Wichtig sind den Veranstaltern auch die verschiedenen Orte, die in den 14 Jahren zum Festivalzentrum, dem Pavillon im Herzen Hannovers, dazu gekommen sind. „Wir legen besonderen Wert auf unsere Veranstaltungen in der Region“, sagt Sure. So werden die Berliner Polkaholix ihre „Urban Speed Polka“ auf einem Öko-Bauernhof vorstellen, und am Dienstag werden die georgischen Frauen stilecht in der St. Martinskirche in Wennigsen singen. Der Workshop, den sie in der Gemeinde angeboten haben, war flugs ausgebucht. Neben den Workshops gehören Kinderveranstaltungen zu den festen Terminen. Nur der Weltmarkt, mit bunten Ständen und kostenlosen Konzerten, sonst auch eine Institution, wird einen Monat später abgehalten. BARBARA MÜRDTER

noch bis 1. Juni; www.masala-festival.de