steinmeier, kunst etc.
: Marlboro-Mann der Kunst

Er wetzte im Anzug ohne Mantel durch den kalten Aprilregen. Als ihn eine besorgte Kunstfreundin fragte, ob er denn überhaupt noch könne, retournierte er: „Wieso? Es waren doch erst drei Galerien!“ Außenminister Frank-Walter Steinmeier gab sich bei seinem semioffiziellen Rundgang im Kunstquartier rund um den Checkpoint Charlie in Berlin wie der Marlboro-Mann der Kunst – hart, aber mit Herz für die Sache.

Von der Berlinischen Galerie, wo Museumschef Jörn Merkert ihm wortreich die Ausstellung Emilio Vedova und seine Geldsorgen bei Neuankäufen antrug, ging es weiter zu privaten Galeristen, zu denen auch Werner Tammen gehört. Letzterer gab mit einer Doppelausstellung des jungen deutschen Malers Sebastian Heiner und seines chinesischen Kollegen Yongbo Zhao Gelegenheit, das Thema China einmal fernab von der aktuellen Tibetfrage und den Olympischen Spielen zu betrachten. Steinmeier hatte zwar angekündigt, „das Dilettieren von Politikern über Kunst“ zu vermeiden. Hier aber konnte er es sich doch nicht verkneifen: „Wie phänomenal ein chinesischer Künstler unsere klassische Malerei in seine chinesischen Traditionen übersetzt, das ist beängstigend europäisch“, kommentierte er Yongbo Zhaos Gemälde, die ganz in der Tradition der französischen Boudoirmalerei des 18. Jahrhunderts und der surrealistischen Albtraumszenen Goyas stehen.

Dass Werner Tammen, seines Zeichens Chef des Landesverbands der Berliner Galerien, wie Steinmeier Sozialdemokrat ist, dürfte eine Erklärung für den ungewöhnlichen Ausflug sein. Doch es gibt offenbar auch weiter gehende politische Motive. Steinmeier steht unter kritischer Beobachtung, wie viel er von der gerne zitierten Rolle der auswärtigen Kulturpolitik als „dritte Säule der Außenpolitik“ wirklich umsetzt. Sein Amtsvorgänger Joschka Fischer war berüchtigt für seine geringe Liebe zur Kulturvermittlung. Sich dagegen wohltuend abzuheben ist ein leichter politischer Prestigegewinn.

Steinmeier hat sich auf Auslandsreisen bisher gerne mit Literaten wie Daniel Kehlmann umgeben. Vielleicht ist der Rundgang ja ein Signal dafür, dass der Berliner Kunsthype jetzt auch ihn erreicht hat. Sein Fehlen bisher liege nicht etwa daran, dass er etwas gegen bildende Künstler gehabt hätte, versicherte der Minister – nur mache es sich schlecht, deren kostbare Werke im Delegationsflugzeug mitzunehmen. Demnächst dann vielleicht doch?

HENRIKE THOMSEN