Terror gegen Christen und Streik in Nigeria: Zwischen Massenprotest und Massaker

Islamistische Anschläge auf Christen und Großdemonstrationen gegen Benzinpreiserhöhungen erschüttern das Land gleichzeitig. Gewerkschaften blasen zum Generalstreik.

Demonstranten in Kano drohen mit Revolution, falls der Spritpreis nicht sinkt. Bild: reuters

BERLIN taz | Das Ultimatum der islamistischen Sekte Boko Haram an die Christen Nigerias, den Norden des Landes zu verlassen, ist abgelaufen - und nun helfen die Islamisten nach. Mindestens 20 Menschen starben, als Bewaffnete am Freitag mittag eine Veranstaltungshalle im ostnigerianischen Ort Mubi überfielen, wo gerade die lokale Geschäftswelt des christlichen Igbo-Volkes eine Versammlung abhielt. Mit automatischen Gewehren eröffneten sie das Feuer durch die Fenster, berichtete ein Überlebender. "Sie riefen ,Gott ist groß', während sie schossen", sagte der 48jährige Okey Raymond, der sich unter einem Tisch verstecken konnte.

Am Donnerstag abend hatten Unbekannte eine Kirche der Stadt Nasawara überfallenund auf die versammelten Gläubigen das Feuer eröffneten; sechs Menschen starben. Am Mittwoch abend hatten mutmaßliche Boko-Haram-Kämpfer in der Stadt Maiduguri, Hochburg der Sekte, eine christliche Familie überfallen und zwei Männer im Alter von 80 und 40 Jahren getötet. Herbeigerufene Soldaten riegelten das Gebiet ab und erschossen zwei der Angreifer.

Nigerias Regierung hatte über Maiduguri und andere Städte den Ausnahmezustand verhängt, nachdem Boko Haram zu Weihnachten 2011 mehrere Bombenanschläge auf christliche Kirchen verübt und dabei 37 Menschen getötet hatte. In Maiduguri und der Stadt Damaturu explodierten am Mittwochabend drei weitere Bomben, zu denen sich Boko Haram bekannte; sie forderten keine Opfer. "Das ist eine Reaktion auf das Ultimatum, das wir den Christen gesetzt haben", sagte ein Boko-Haram-Sprecher.

Die explosive Lage in Nigeria wird dadurch weiter angeheizt, dass die Streichung der bislang geltenden Benzinpreissubventionen zum neuen Jahr eine Massenprotestbewegung ausgelöst hat. In fast allen größeren Städten gehen seit Tagen Demonstranten auf die Straße und fordern eine Rücknahme der Streichung, die einen Anstieg von Transportkosten um teils das Dreifache ausgelöst hatte.

Schlächter setzten ihr Arbeitswerkzeug gegen Demonstranten ein

Im nordnigerianischen Kano besetzten Jugendliche den zentralen Jubilee Roundabout und tauften ihn in Tahrirplatz um, bevor sie mitten in der Nacht zum Donnerstag von der Polizei mit Tränengas vertrieben wurden. Christen und Muslime hatten bei der Platzbesetzung zusammengearbeitet.

Besonders heftig sind die Proteste im Südwesten des Landes, traditionelle Hochburg der nigerianischen Bürgerrechtsbewegung um die Metropole Lagos. Am Donnerstag legten Demonstranten die Universitätsstadt Ibadan lahm. In Ilorin kam es zu blutiger Gewalt, als Schlächter auf dem Fleischmarkt ihr Arbeitsgerät gegen Demonstranten einsetzten, die ihnen vorwarfen, sich nicht an einen Aufruf zur Schließung der Märkte gehalten zu haben.

In der alten Yoruba-Königsstadt Abeokuta zogen Demonstranten vor den Palast des traditionellen Königs und dann vor die Residenz des Provinzgouverneurs, der ihnen seine Unterstützung versicherte. Ab Montag wollen die Gewerkschaften in einen unbefristeten Generalstreik treten.

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