Papst löst Boykottwelle aus

Weil Papst Benedikt XVI. ihnen heimleuchten will, sagen immer mehr jüdische Wissenschaftler und Theologen ihre Auftritte beim Katholikentag in Osnabrück ab

Die vom Papst verursachte schwere Krise des katholisch-jüdischen Dialogs hat Auswirkungen auf den Katholikentag in Osnabrück: In den kommenden Wochen werde darüber „beraten, ob es eine eigene Diskussion dazu gibt“, sagt Theodor Bolzenius, Sprecher des Katholikentages. „Keine Veranstaltung des Programmbereichs ‚christlich-jüdischer Dialog‘ entfällt“, kündigt er an. Nach Stand der Dinge – und nur weil man „zusätzliche Referenten“ gefunden hat.

Die Absagen nämlich häufen sich: Nach dem Rektor des Potsdamer Abraham-Geiger-Kollegs Walter Homolka haben auch der Frankfurter Sozialwissenschaftler Micha Brumlik, der Oldenburger Rabbiner Daniel Alter, der Lübecker Psychologe Rolf Verleger und der Bremer Väter-Forscher Gerhard Amendt ihren Boykott angekündigt. Für Letzteren habe man noch keinen Ersatz, sagt Bolzenius. Allerdings trete er auch in einem anderen Programmbereich auf.

Auslöser der Boykottwelle ist ein von Benedikt XVI. verfasstes, lateinisches Gebet „für die Juden“, deren „Herzen erleuchtet“ werden sollen. Es ist Teil der Karfreitags-Messe nach außerordentlichem Ritus, der von rund zwei Prozent der deutschen Katholiken praktiziert wird.

Der Text ist auch in Kirchenkreisen umstritten: Während Kurienkardinal Walter Kasper die Kritik als „emotional“ abtat, nannte der Augsburger Theologie-Professor Hanspeter Heinz – Koordinator des Programmbereichs christlich-jüdischer Dialog – den Vorgang „eine schwere Verirrung des Papstes“. In einem Brief hat sogar die Deutsche Bischofskonferenz den Papst vor dem Affront gewarnt.

Publik gemacht wird derlei Kritik am Oberhirten nach katholischer Tradition allerdings nicht: „Wir bitten um Verständnis, dass solche Schreiben grundsätzlich nicht öffentlich sind“, heißt es auf Nachfrage. Als ungewöhnlich deutlich gelten in Kirchenkreisen die Äußerungen von Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode beim Besuch der örtlichen Synagoge Ende Februar: Er nannte die Einführung der Benedikt-Fürbitte „bedauerlich“. Dass Bode „das so offen angesprochen hat“, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Osnabrück, Michael Grünberg, „habe ich als sehr hilfreich empfunden“.

Auch jüdische Theologen, die trotz der Spannungen Ende Mai nach Osnabrück reisen, sehen ihren Auftritt nicht als Kritik am Boykott der Kollegen. „Ich respektiere deren Position“, so der Braunschweiger Rabbiner Jonah Sievers im taz-Interview, das amMontag erscheint. Man könne aber auf unterschiedliche Art Zeichen setzen: „Beides ist wahrscheinlich nötig.“ BENNO SCHIRRMEISTER