Ein Park als ideologischer Raum: Germanentum und Blütenpracht

Der Rhododendronpark wird 75: Höchste Zeit, seine Geschichte als NS-Gründung zur Kenntnis zu nehmen - samt ideologischer Landschaftsplanung und Görings Wisent-Kult

Der Wisent aus dem Bremer Rhododendronpark hatte seinen größten Auftritt 1937 auf der Weltausstellung in Paris, wo er als NS-Antwort auf Picassos Guernica-Stier auf dem Deutschen Pavillon thronte. Als Sinnbild "germanischer Kraft und Reinheit" erhielt er Gold - und einen passenden Platz im Park Bild: Archiv

Der berühmte Bremer Rhododendronpark und das Ursprungskonzept des Botanischen Gartens sind brauner Provenienz. Trotz des dieses Jahr anstehenden 75. Park-Geburtstags ist nur wenigen Bremern bewusst, wie sehr Gründung und Planung dieser Bremer Institutionen den Intentionen des Nationalsozialismus entsprangen und entsprachen.

Weitgehend vergessen ist auch die Geschichte einer der bekanntesten Bremer Freiplastiken: Der durch den Bremer Bildhauer Ernst Gorsemann geschaffene "Wisentstier" kam 1940, drei Jahre nach Eröffnung des Parks, an seinen jetzigen Standort. Die Kolossalplastik aus Bronze ist die einzige Skulptur, die der Bremer Staat im "Dritten Reich" erwarb.

Es scheint keineswegs ein Zufall zu sein, dass das Werk seinen Platz in einer Grünanlage fand, die die Nationalsozialisten zu ihrem Anliegen machten - wer sich mit Gorsemanns "Stier" beschäftigt, landet unweigerlich bei der Entstehungsgeschichte von Rhododendronpark und Botanischem Garten. Er stößt zugleich auf ein selbst im 21. Jahrhundert noch gültiges Tabu: Dass über Landschaftsplanung und Gartenarchitektur im Nationalsozialismus nicht gesprochen wird. Bremen macht da keine Ausnahme, im Gegenteil: Es hat den Anschein, dass das 75-jährige Jubiläum nicht genutzt werden wird, diese Geschichtsverdrängung zu beenden.

promovierte über "Die künstlerische Wahrnehmung wilder Tiere im Zeitalter der zoologischen Gärten" und arbeitet als Kunsthistoriker in Berlin. Zur hier vorgestellten Thematik veröffentlicht er einen längeren Aufsatz in der Juni-Ausgabe von "Arbeiterbewegung und Sozialgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. Zeitschrift für Regionalgeschichte Bremens"

1935, während Gorsemann seinen "Wisentstier" erstmals vor dem gleichgeschalteten Berliner Künstlerhaus präsentierte, wurde im Bremer Rathaus mit tatkräftiger Unterstützung der Regierung die Deutsche Rhododendron-Gesellschaft ins Leben gerufen. Federführend war der Bremer Gartenbaudirektor und Nationalsozialist Richard Homann, am Gründungsakt nahmen die Senatoren Haltermann und von Hoff sowie der Präsident des Bremer Finanzwesens Duckwitz teil. Beide Senatoren wurden zu Ehrenmitgliedern der Gesellschaft ernannt, der Kaufmann und Nationalsozialist von Engelbrechten zum Präsidenten. Ziel war die Errichtung eines "Prüfungs- und Sichtungsgarten für Rhododendron".

Mit dem Versuchsgarten sollten Züchter immergrüner Laubgewächse fachlich unterstützt und ein autarker deutscher Markt für Rhododendren ermöglicht werden, der nicht mehr auf niederländische Importe angewiesen war. Neben dem wirtschaftlichen Zweck verfolgten die Gründer ideelle, propagandistische und volkspädagogische Ziele: Die von der Natur entfremdeten Volksgenossen sollten wieder mit heimatlicher Flora und "deutschen Landschaften" vertraut werden. Durch Pflanzenschönheit sollte das Lebensgefühl des "deutschen Menschen" gehoben werden, schrieben die Bremer Nachrichten.

Der Senat stellte dafür die ehemaligen Landgüter Rickmers und Allmers zur Verfügung. In der Mitte des 1937 abgeschlossenen ersten Park-Abschnitts errichtete man einen Gedenkstein für Hans Rickmers, der zu den getöteten Teilnehmern des Hitler-Putsches von 1923 gehörte. Die Park-Eröffnung wurde an diesem Denkmal inszeniert, Senator Haltermann hielt die Eröffnungsrede. Nach dem Krieg legte man den anstößigen Stein mit der Schrift nach unten ins Terrarium - dort ist er noch heute.

Der Schöpfer des Parks, Homann, studierte Gartenarchitektur und Landschaftsgestaltung in Berlin-Dahlem. Vielleicht hat er dort den Architekten für Gartenbau Heinrich Wiepking kennengelernt. Wiepking und Gorsemann wiederum gestalteten das erste Weltkriegsdenkmal auf der Altmannshöhe. Wiepking war glühender Nationalsozialist und im "Dritten Reich" Deutschlands einziger Inhaber eines Lehrstuhls für Landschaftsarchitektur an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. Als Chefideologe für Landschaftsplanung beteiligte er sich an der "Landschaftsgestaltung und -pflege" der eroberten Ostgebiete. Homanns völkisch-geprägte Leitideen im Gartenbau sind wiederum beeinflusst von Wiepkings Theorie, deren Basis ein einfach auf die Landschaft übertragenes völkisches Weltbild ist.

Gorsemann hatte von 1920 bis 1935 in Berlin-Dahlem seine Wohn- und Arbeitsstätte, ehe er als Professor für Bildhauerei an der Nordischen Kunsthochschule Bremen (NKH) in seine Geburtsstadt zurückkehrte. Der Bildhauer war nicht Mitglied in der NSDAP, aber das war kein Hindernis für seine Arbeit an der NKH, der einzigen nationalsozialistischen Kunsthochschulgründung. Die Nationalsozialisten schätzten seine Werke und gaben ihm reichlich Aufträge.

Gorsemann hatte kein Problem mit Propagandakunst: 1937 zeigte er im Bremer Künstlerhaus einen Hitler-Kopf, zuvor hatte er für ein Verlagshaus ein Führerrelief gefertigt. Weitere propagandistische Werke für die Wehrmacht sind bekannt.

Der "Wisentstier" lag ganz auf der Linie des Wisentkults, den die Nationalsozialisten, insbesondere der Reichsmarschall und Reichsjägermeister Hermann Göring, betrieben. Der beauftragte ähnliche Werke und kaufte von Gorsemann einen Bronze-Steinbock. Göring entfachte einen regelrechten Rummel um das Wisent als "germanisches Urvieh", er ließ Zuchtstationen und Freigehege anlegen.

Die Verehrung des Wisents als "germanisches" Großwild reicht zurück ins Kaiserreich, es gibt eine lange Tradition des Wisentbilds in der Kunst. Aus Mitteleuropa war das Tier da längst verschwunden, die Urwälder ebenso. Der Anblick der letzten Waldriesen in Zoos und wenigen Reservaten befeuerte umso mehr die Phantasie: Als vermeintliche Fleischquelle der Germanen sollten sie die Basis für germanische Kultur gewesen sein.

Der Koloss kündete von Kraft, Reinheit, Überlegenheit. Die Nationalsozialisten stellten ihn auf dem Dach des deutschen Pavillons der Weltausstellung in Paris 1937 aus, wo er eine Goldmedaille erhielt. So kam es, dass Bremens Regierender Bürgermeister, SA-Gruppenführer Böhmcker, in Paris zwei Stiere sehen konnte: den einen auf Picassos epochalen Bild "Guernica" und den anderen als Plastik. Die Kunstwerke standen für die Konfrontation der Systeme am Vorabend des Zweiten Weltkriegs.

Homanns Arbeit am Bremer Rhododendronpark fand in Berlin großen Anklang. Man schlug ihn als Generalreferenten für die Landschaftspflege des Gaus Danzig vor. Erneut wird eine feine Verbindungslinie sichtbar zwischen der Landschaftsplanung und Vernichtungspolitik in den Ostgebieten, für die Himmlers SS eine "Wehrlandschaft" plante. Wie wenig Distanz Gorsemann zu diesen verbrecherischen Plänen hielt, zeigt sein künstlerischer Entwurf für einen Pferdebrunnen, den er für Dorfplätze im Osten entwarf. Der Reichsführer der SS verlieh ihm dafür den 1. Preis. Nach dem Krieg wurde Homann entlassen. Bei der Entnazifizierung stufte man ihn als "Mitläufer" ein. Gorsemann ging in Pension, galt aber offiziell als "Nichtbetroffener".

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