„Es gab immer Stunk“

Ein eigenständiges Altona fordert die Initiative „Altonaer Freiheit“ schon seit Jahren. Ein Gespräch mit ihrem Sprecher Olaf Wuttke über den freiheitlichen Geist Altonas, die Einladung an die Faröer Fußballer und die Rückkehr in den dänischen Staat

Olaf Wuttke ist Sprecher der „Altonaer-Freiheit-Initiative“. Er saß von 1986 bis 2001 für die GAL und für das Wahlbündnis Regenbogen in der Altonaer Bezirksversammlung.

taz: Herr Wuttke, warum will Ihre „Initiative „Altonaer Freiheit“ die Trennung von Hamburg?

Olaf Wuttke: Wir fordern, dass Altona wird, was es einmal war: eine eigenständige Stadt.

Meinen Sie das ernst?

Naja, wir sagen das natürlich augenzwinkernd. Es gibt aber einen ernsten Hintergrund. Viele Menschen in Altona haben den Eindruck, dass ihr Viertel in Hamburg nur als Hinterhof wahrgenommen wird. Bis etwas passiert, dauert es meistens sehr lange, oder es passiert gar nichts.

Ein Beispiel?

Der Stuhlmannbrunnen am Altonaer Bahnhof. Er musste dringend renoviert werden, und das wäre eine Aufgabe der Stadt Hamburg gewesen. Aber nichts tat sich, so dass wir uns in Altona schließlich private Investoren dafür suchen mussten. Dabei handelt es sich um ein wichtiges Baudenkmal für Altona und Hamburg. Der Brunnen symbolisiert mit seinen beiden um einen riesigen Fisch kämpfenden Zentauren die geschichtliche Rivalität im Fischhandel, ein Kampf, der im Bau von zwei getrennten Fischauktionshallen gipfelte, die nur einen Steinwurf auseinander lagen. Zwischen Hamburg und Altona gab es eben immer Stunk. Ein anderes Beispiel wären die Neubauklötze an der Elbe. Die hat der Senat gegen den Willen der Altonaer Bezirksversammlung durchgesetzt. Oder der Fall des Altonaer Stadttheaters. Es wurde nach dem Krieg abgerissen. Das stark beschädigte Hamburger Thalia Theater wurde dagegen wieder aufgebaut.

Muss man deswegen gleich raus aus Hamburg?

Es geht auch um ein geschichtliches Erbe. Altona ist immer eine beispiellos freie Stadt gewesen. In der „Großen Freiheit“, die Straße heißt nicht ohne Grund so, standen Gotteshäuser aller Konfessionen. Und es gab keine Zunftgesetze, jeder konnte das Handwerk ergreifen, zu dem er sich berufen fühlte. Altona war auch immer eine offene Stadt. Davon haben auch die Hamburger profitiert. Als unter französischer Besatzung Tausende von Hamburgern ausgewiesen wurden, weil sie nicht nachweisen konnten, dass sie über genügend Proviant für den Winter verfügten, fanden sie in Altona Asyl. Dieser offene Sinn zeichnet noch heute Altona aus. Es gibt dafür auch ein schönes Symbol. Auf der Altonaer Flagge ist das Tor geöffnet, auf der Hamburger Flagge geschlossen. Vor dem Hintergrund dieser Geschichte empfinden sich die Menschen in diesem Viertel nicht als Hamburger, sondern als Altonaer. Und man hat noch heute das Gefühl, dass in Altona die Uhren anders gehen: richtiger.

Freut es Sie, dass das Schanzenviertel jetzt dem Bezirk Altona zugeschlagen wird?

Wir waren eigentlich für die Wiederherstellung des alten Grenzverlaufs. Die „Große Freiheit“, die „Kleine Freiheit“, der „Pinnasberg“, das sind klassische Altonaer Orte. 1938, unter den Nationalsozialisten, hat man sie Sankt Pauli und damit Hamburg eingegliedert und so ist es geblieben. Man hätte diese Grenzziehung eigentlich schon nach dem Krieg rückgängig machen sollen, genauso wie man andere Verordnungen und Gesetze dieser Zeit zurückgenommen hat. Stattdessen wird jetzt der Schanzenpark Altona zugeschlagen. Warum? Das ist ziemlich unverständlich. Die Eimsbüttler, die den Wasserturm im Schanzenpark im Wappen führen, protestieren da zu Recht.

Wie sieht denn die Arbeit der Initiative konkret aus?

Wir versuchen uns natürlich politisch einzubringen, ich saß ja auch längere Zeit für die GAL in der Bezirksversammlung. Wir machen auch Aktionen. Eimal haben wir die Färöer-Inseln, die für ein Fußball-Qualifikationsspiel in Dänemark einen Platz suchten, eingeladen, im Volksparkstadion zu spielen. Oder wir überreden Hausbesitzer, die dänische Flagge zu hissen.

Soll das heißen: nicht nur raus aus Hamburg, sondern auch zurück nach Dänemark?

Ja, so steht es auch auf einem Aufkleber, den wir gedruckt und verteilt haben: „Altona muss zurück nach Dänemark.“ Das ist jetzt schon 15 Jahre her, aber man sieht ihn immer noch hier und da an Autos prangen. Das Bekenntnis zu Dänemark ist natürlich nur ein Witz, eine Provokation. Wir denken fortschrittlich und wahrscheinlich werden in Zukunft mit dem europäischen Einheitsprozess ja sowieso die nationalen Grenzen wegfallen. Aber dennoch: Wenn wir nach Dänemark zurückwollen, ist das auch eine Kritik an Hamburg, nach dem Motto: Wir waren damals besser aufgehoben. INTERVIEW: MAXIMILIAN PROBST