Quadratisch. Praktisch. Fair.

Von den eigenen Schokoladen schmeckt ihr „Dunkle Vollmilch“ am besten. Marli Hoppe-Ritter, Jahrgang 1948, gehört das Unternehmen Ritter Sport zusammen mit ihrem Bruder Alfred. Beide sind die Enkel der Gründer. Sie leitet den Beirat der Alfred Ritter GmbH und trifft die wichtigen Entscheidungen gemeinsam mit dem Bruder. In Anspielung auf die Studentenbewegung der 1960er-Jahre bezeichnet sie sich als „68erin“. Sie studierte Jura, arbeitete als Rechtsanwältin und gründete 1976 das zweite selbstverwaltete Frauenhaus der Bundesrepublik, in dem misshandelte Frauen unterkommen. 2005 eröffnete sie das Museum Ritter, in dem ihre Sammlung abstrakter Kunst ausgestellt wird. Hoppe-Ritter ist verheiratet mit Rechtsanwalt Hilmar Hoppe und hat zwei erwachsene Söhne.

Die Alfred Ritter GmbH in Waldenbuch bei Stuttgart produziert die quadratische Schokolade in der bunten Verpackung. Die Firma ist bekannt für den Fair-Trade-Einkauf von Kakao in Nicaragua, ihr Kunstmuseum und die guten Arbeitsbedingungen. Innerhalb der kommenden zwei Jahre will man eine Bioschokolade herausbringen, die nur organisch angebauten Kakao enthält. Die Eigentümer – Alfred Ritter leitet die Geschäftsführung, Marli Hoppe-Ritter den Beirat – haben bisher kein Personal wegen schlechter Zahlen entlassen. Die drei untersten Lohngruppen des Tarifvertrags wurden abgeschafft, und die Beschäftigten bekommen einen Teil des Gewinns als Erfolgszulage. 2004 waren das rund drei Monatsgehälter pro Kopf. Der Umsatz des Unternehmens erreichte 280 Millionen Euro im Jahr 2006.

Marli Hoppe-Ritter sammelt nicht nur quadratische Kunst, ihr ererbter Familienbetrieb Ritter Sport stellt auch quadratische Schokolade her: aus fair gehandeltem Kakao und unter fairen Arbeitsbedingungen. Porträt einer 68er-Kapitalistin

VON HANNES KOCH

Grell und quadratisch liegen die vielen Schokoladentafeln im Supermarktregal. Meterweise Wohlstandsstärkung, für die ohnehin oft viel zu dicken Bäuche Deutschlands. Reingeschoben nebenbei – auf der Reise, beim Fernsehen oder als Ersatzmahlzeit. Schokolade, das ist zwar in einigen Varianten noch ein Luxusprodukt, meist aber eine billige Ware. Der Konsument kann wählen, ob er sich für das Fair-Trade-Produkt entscheidet. Schokoladenhersteller haben es da schon schwerer: Eine Umstellung bedarf jahrelanger Planung. Ein Aufwand, den die Unternehmerin Marli Hoppe-Ritter, Eigentümerin der Ritter Sport Schokoladenfabrik, nicht scheut. Er könnte sich auch finanziell lohnen, denn was eine gute Schokolade definiert, unterliegt dem Wandel.

1991 stand Hoppe-Ritter zum ersten Mal vor nicaraguanischen Bauern im Dorf Waslala und erklärte ihnen, weshalb sie den Kakao für ihre Fabrik in Deutschland künftig bei ihnen kaufen und ihnen zudem noch einen höheren Preis zahlen wollte.

„Damit hat sie sich in die Herzen hineingeredet“, sagt Hans Grebe, der das Kakaoprojekt Cacaonica seit 1991 organisiert. Was die Firma Ritter Sport aus Waldenbuch bei Stuttgart in Nicaragua unterstützt, ist ein Entwicklungsvorhaben. Es geht um Gerechtigkeit. Denn der normale Weltmarktpreis für Kakao schwankt stark. In manchen Jahren ist er so niedrig, dass sich die Bauern davon kaum ernähren können. Weil Ritter ungefähr ein Drittel mehr zahlt, garantiert die Firma den Produzenten materielle Sicherheit und exportiert einen Hauch mitteleuropäischen Wohlstandes. Die Dorfbewohner können ihre Kinder problemlos zur Schule schicken, dem kleinen Haus ein weiteres Zimmer hinzufügen, das Dach reparieren. „Es gibt jetzt Verkehrsprobleme“, sagt Grebe, „Zwanzig Leute haben sich alte Taxis gekauft und verdienen Geld damit.“

Kein Wunder, dass sich Marli Hoppe-Ritter als Unternehmerin für diese Dinge interessiert. Ein bisschen aus der Reihe zu tanzen, das hat sich die Firmenerbin schon immer geleistet. „Radikal war sie aber nie, eher auf der moderaten, kooperativen Seite“, sagt eine Mitstreiterin aus alten Tagen. Marli Hoppe-Ritter, Jahrgang 1948, begann ihr Studium 1967, als die Studenten beinahe täglich gegen die Restauration und Spießigkeit der Adenauer-Jahre demonstrierten. „Das habe ich mit Sympathie verfolgt, das hat mich begeistert“, sagt sie. Der Aufbruch von 1968 ist ein fester Bestandteil ihrer Identität.

Links sein, frei sein: dieser Zeitgeist herrschte noch in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre, als Hoppe-Ritter in Heidelberg Jura studierte. Neben Westberlin und Frankfurt am Main war die Stadt eines der drei bundesdeutschen Zentren der aufrührerischen Akademiker. Hoppe-Ritter, Mitte zwanzig, mischte mit in der „Basisgruppe Jura A-Fraktion“, einer eher gewaltlos und alternativ ausgerichteten Truppe. Mit ihren Kommilitonen besetzte sie das Juristische Seminar der Universität. Ab 1976 leitete sie den Verein, der das zweite selbstverwaltete Frauenhaus der Republik eröffnete. Bevor das Frauenhaus arbeitete, nahmen die Aktivistinnen Frauen, die vor den Schlägen ihrer Ehemänner flüchteten, privat in ihren Wohnungen auf. „Naiv“, urteilt Hoppe- Ritter heute. Die Probleme der schutzsuchenden Frauen waren zu groß und fremdartig, als dass sie sich mit Freizeitpädagogik hätten lösen lassen. Sie drohten die akademischen Wohngemeinschaften zu sprengen. Um die Professionalisierung voranzubringen, finanzierte Hoppe-Ritter den Kauf des Frauenhauses mit einem Darlehen. Die Zinsen, die der Verein an sie zahlte, spendete sie zurück. Nur Insidern war klar, dass das feministische Projekt vom Geld der Schokoladenfabrik lebte. „Damit bin ich nicht hausieren gegangen“, sagt Hoppe-Ritter. Noch heute leitet sie den Förderverein, der Spenden einwirbt.

„Sie unterstützte einen Gegenentwurf“, sagt Martin Stather, Freund und Ausstellungsleiter beim Mannheimer Kunstverein. Allerdings aus der zweiten Reihe – das war lange Zeit Hoppe-Ritters typische Rolle: sich nicht selbst nach vorne zu stellen, sondern die Leute in der ersten Reihe finanziell zu fördern. Nicht nur für das Frauenhaus gab sie Geld, sondern auch für den Wunderhorn Verlag ihres Freundes Manfred Metzner. In der Tradition der romantischen Lieder- und Gedichtesammlung „Des Knaben Wunderhorn“ von Achim von Arnim und Clemens von Brentano wollten sich die linken Studenten der Siebzigerjahre die deutsche Geschichte neu aneignen. Mit harter Mark half Hoppe-Ritter auch der alternativen Stadtzeitung Kommunale, die die Bevölkerung Heidelbergs in den Achtzigerjahren mit den Ideen der Öko- und Friedensbewegung bekannt machte.

Aber dann starb 1974 der Vater Alfred Ritter, der Sohn des Gründers. Seine Witwe Martha übernahm die Nachfolge, man bestellte eine externe Geschäftsführung. Marli und Alfred junior (Jahrgang 1953) wurden Mitglieder des Beirates, der die Geschäfte beaufsichtigte. „Das war ein Spagat“, sagt Hoppe-Ritter. Hier die Ideen von einer besseren Welt – Gerechtigkeit gegenüber den Entwicklungsländern, gleiche Rechte für Frau und Mann, Umweltschutz und Frieden. Das Wahre, Schöne und Gute. Dort die Firma der Eltern – „Quadratisch. Praktisch. Gut“, wie der Werbespruch lautet. Die Produktion von Millionen bunter Tafeln Schokolade. Milchpulver, Haselnüsse, Marzipan. Mit so etwas hatten die Twens in der Nachfolge der 1968er nicht viel im Sinn. Ein Unternehmen zu erben, das laut sozialistischer Theorie eigentlich vergesellschaftet werden sollte, gehörte auch nicht unbedingt zum Programm. Um dem Dilemma zu entgehen, spendeten damals einige Erben ihr Kapital für den revolutionären Kampf. „Zum Teil war es schwierig, beides zu verbinden, mein Leben in Heidelberg und die Firma“, sagt Hoppe-Ritter, „an der Kombination musste ich lange arbeiten.“

Als Zugeständnis an den Vater, der sich Sorgen um seine Nachfolge machte, belegte Hoppe-Ritter Volkswirtschaft. Weil „das Studium zu achtzig Prozent aus Mathematik bestand“, wechselte sie aber bald zu Jura und arbeitete später auch als Rechtsanwältin. Der jüngere Bruder Alfred Ritter hielt es bei den Volkswirten ebenfalls nicht lange aus: Er entschied sich für die Psychologie, eröffnete eine Praxis und behandelte seine Patienten nach der bioenergetischen Methode. Alsdann machte er sich als Unternehmer selbstständig und produzierte Ökoenergieanlagen.

Es war eine Idee, die Marli Hoppe-Ritter 1991 nach Nicaragua brachte. Sechzehn Jahre später, 2007, ist die Firma nun endlich bereit, den damals gesetzten Standard zu erfüllen. Eine fair gehandelte Bioschokolade soll auf den Markt kommen. „Dass die Lieferung aus Nicaragua so schwierig würde, haben wir nicht vorausgesehen“, sagt Hoppe-Ritter. Im Jahr 2000, knapp zehn Jahre nach Beginn des Projekts, erhielten die ersten zweiundachtzig Bauern das Zertifikat der Europäischen Union für Bioanbau. Weitere zwei Jahre dauerte es, bis der erste Biokakao nach Waldenbuch geliefert wurde. Und heute kommt es immer wieder vor, dass die Bauern ihren Kakao direkt an einheimische Lkw-Fahrer verkaufen, statt ihn mühselig mit dem eigenen Maultier zur Annahmestelle der Kooperative nach Waslala zu bringen. Die geringe Liefermenge habe also nicht nur mit der finanziellen Bereitschaft ihrer Firma zu tun, sagt Hoppe-Ritter. Aber ein Grund ist darin wohl schon zu suchen. Denn Ritter Sport ist als Massenhersteller positioniert. Die Kapazität der Fabrik in Waldenbuch liegt bei knapp einer Milliarde Tafeln pro Jahr. Der Verkaufspreis spielt eine wesentliche Rolle, die Konkurrenz ist hart. Der Spielraum für außergewöhnliche Kosten, die den Preis in die Höhe treiben, hält sich deshalb in Grenzen.

Aber er ist doch vorhanden. Marli Hoppe-Ritter und ihr Bruder wollen die Strategie verändern – und haben jetzt auch bessere Möglichkeiten dazu. Denn seit Dezember 2005 ist Bruder Alfred selbst Geschäftsführer. Der Vorgänger Olaf Blank hat die Firma verlassen. Es gab Zerwürfnisse über die Expansionsstrategie. Auch zum Thema „Bioschokolade“ herrschten unterschiedliche Einschätzungen, doch am Ende setzten sich die Geschwister Ritter gegen die Geschäftsführung durch.

Nun also soll die Bioschokolade kommen. Künftig wird die Firma viel mehr organisch hergestellten Kakao aus Nicaragua abnehmen als bisher. Um einen Anreiz für größere Liefermengen zu bieten, zahlt man den Kleinbauern neuerdings 3.000 Euro pro Tonne – einen höheren Kaufpreis als zuvor. Der Weltmarktpreis lag im Sommer 2007 bei 2.000 Euro. Dieser Zuschlag von einem Drittel ist Ausdruck einer Haltung: Die Eigentümer sind bereit, sich ihre Ideale etwas kosten zu lassen – zumindest etwas mehr als früher.

Doch auch der Markt unterstützt diese Entscheidung. „Die grüne Schokolade wird gesellschaftsfähig“, sagt Wolfgang Werth, der in der hauseigenen Marktforschung arbeitet. Er stellt einen Stimmungswandel in der Bevölkerung fest. „Gesunde Ernährung, biologische Nahrungsmittel und fairer Handel spielen eine größere Rolle.“ Hoppe-Ritter sagt, dass das Unternehmen deutlich mehr E-Mails von Verbrauchern erhalte, die sich für die Bedingungen der Produktion interessierten. Angesichts dieser Änderung der gesellschaftlichen Atmosphäre glauben die Eigentümer nicht, dass sie der Massenmarke Ritter Sport Schaden zufügen, wenn sie ein Ökoprodukt herausbringen. Im Gegenteil: Sie erhoffen sich Vorteile. Denn die Bedeutung des Werbespruchs „Quadratisch. Praktisch. Gut“ verändert sich – „gut“ heißt inzwischen mehr als bloß „gute“ Qualität. Der hohe Nutzwert bei angemessenem Preis spielt zwar immer noch die ausschlaggebende Rolle. Doch guter Geschmack, reichlich Kakao und Haselnüsse allein reichen manchem Verbraucher nicht mehr. Der moralische Anteil von „gut“ nimmt zu. Die Leute wollen jetzt wissen: Enthält das Fett in der Schokolade gentechnisch veränderte Anteile? Wie viele Pestizide braucht man für den Anbau der Kakaopflanzen? Was verdienen die Bauern? Wie steht es mit der Klimabelastung? Eine Umfrage des Instituts TNS-Infratest vom Sommer 2007 belegt diesen Trend: Langlebigkeit und Preis eines Produktes waren für 81 beziehungsweise 79 Prozent der Befragten ein wichtiges Kriterium beim Kauf, dicht gefolgt von Klima- und Umweltschutz. Für 690 von 1.000 Befragten war die ökologische Qualität der Produkte wichtig.

Die Kooperation mit den Kakaobauern in Nicaragua ist für Ritter auch in anderer Hinsicht von Vorteil. Der Kakaomarkt ist umkämpft, vor allem Edelkakao aus Mittelamerika, angebaut ohne Chemie, ist knapp und begehrt. Käufer jagen sich gegenseitig die Erntemengen ab. In diesem Spiel will die Firma Ritter ihre Position verbessern und den Einkauf sichern. „In den kommenden zwei Jahren bringen wir eine Bioschokolade auf den Markt“, sagt Hoppe-Ritter. Die Entwickler in Waldenbuch arbeiten daran, probieren Zutaten und Rezepturen aus.

Gelingt der Plan, wäre das nicht nur eine gute Sache; es wäre ein Durchbruch. Die großen Produzenten haben bislang keine Sorte hergestellt, die den Kriterien sowohl des biologischen Anbaus als auch des fairen Handels genügt. Politisch korrekte Schokolade wird nur von kleinen Herstellern an vergleichsweise wenige Kunden verkauft. Das sind ökonomische Nischen. Einzig die Firma Stollwerck, fünftgrößter Anbieter, verkauft unter der Marke Sarotti seit 2007 ein Bioprodukt. Ritter Sport dagegen ist – zusammen mit Milka – Marktführer bei den Schokoladentafeln, die hundert Gramm wiegen. Als Nummer eins in Deutschland würde Ritter mit seiner Bioschokolade deshalb das Zeichen setzen, dass ehemals alternative Konsumgewohnheiten nun auch auf dem Massenmarkt zum ökonomischen Faktor werden.

„Wir wollten uns den Zugang zu Wissen über den Kakaoanbau erarbeiten“, sagt Marli Hoppe-Ritter. Besonders über Edelsorten, die nicht in den afrikanischen Hauptlieferländern wachsen, sondern nur in Mittelamerika. Außerdem waren die Geschwister interessiert am Einfluss auf die Rohstoffproduktion. Die Abhängigkeit von den Lieferanten erfüllte sie mit Sorge. So weit die betriebswirtschaftlichen Überlegungen – aber auch ökologische Gesichtspunkte spielten eine Rolle. Weil die wachsende Landbevölkerung immer neue Äcker braucht, holzt sie den Regenwald ab. Kakaoanbau ist eine Möglichkeit, dies zu verhindern: Die Pflanzen mit den roten Früchten gedeihen gut im Schatten höherer Bäume.

Mehr als drei Millionen Euro hat Ritter bislang in die Zusammenarbeit investiert. Projektleiter Grebe erhält sein Gehalt seit 1990 aus Waldenbuch. Die Firma stellte den Bauern Pflanzen, Werkzeuge und Ausrüstung zur Verfügung. Fünfhundert Bauernfamilien produzieren mittlerweile in Zusammenarbeit mit der Kooperative von Waslala. Dennoch ist die Lieferung von Biokakao nach Deutschland bislang nicht über eine homöopathische Dosis hinausgekommen. In den Jahren 2006 und 2007 verkaufte die nicaraguanische Genossenschaft Ritter ungefähr so viel, wie die Schokoladenfabrik an einem Tag verbraucht. Neunundneunzig Prozent des Rohstoffs stammen weiterhin aus der normalen Weltmarktproduktion, die nicht an besondere Sozial- oder Umweltstandards gebunden ist. Wie die anderen Unternehmen auch bezieht Ritter einen wesentlichen Teil aus Westafrika – aus Ländern wie Ghana und Elfenbeinküste berichten Menschenrechtsorganisationen immer wieder von Kinderarbeit. Konkrete Vorwürfe gegen Ritter gibt es aber nicht.

Sicher ist es eine honorige Angelegenheit, arme lateinamerikanische Bauern zu unterstützten und ihnen den Kakao zu einem höheren Preis abzukaufen. Aber handelt es sich angesichts der Masse der normalen Importe nicht um Luxus, um Dritte-Welt-Schnickschnack zur Beruhigung des Gewissens der Eigentümer? Eine wohlfeile Maßnahme, um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass man ein bisschen besser ist als die Konkurrenz? Müsste die Firma Ritter mir ihrem Umsatz von 280 Millionen Euro (2006) nicht etwas großzügiger sein, als innerhalb von zehn Jahren drei Millionen Euro zu stiften?

Ja, Ritter könnte. Aber es gilt auch: Nur wer gut dran ist, kann etwas abgeben. Diesen Grundsatz missachten viele Firmen. Ritter ist dagegen ein Beispiel dafür, dass in der Wirtschaft nicht nur eine Logik funktioniert. Manager und Unternehmer haben grundsätzlich die Wahl zwischen verschiedenen Varianten. Sie können entscheiden, ob sie hohe, schnelle Profite anstreben oder langfristige, moderate Gewinne. Im Extremfall ist es möglich, vorübergehend auf Profit zu verzichten, um eine bessere Ausgangsposition für die Zukunft zu erreichen. In Aktiengesellschaften ist diese Wahlfreiheit oft eingeschränkt, in Familienunternehmen dagegen etwas größer.

Wir müssen nicht permanent eine hohe Rendite erwirtschaften“, sagt Marli Hoppe-Ritter. Diesen Luxus ermöglichen die Eigentumsverhältnisse und die Rechtsform des Unternehmens. Als GmbH & Co. KG in Familienbesitz unterliegt Ritter nicht den gleichen Verpflichtungen wie börsennotierte Aktiengesellschaften, die ihre Anteilseigner in kurzen Abständen informieren und den Aktienkurs hoch halten müssen. Vorteil: „Wir können unsere persönlichen Wertvorstellungen besser ins Unternehmen einbringen“, so Hoppe-Ritter. Dem Druck der Finanzanleger und ihren Gewinnerwartungen ist ein Familienunternehmen weniger stark ausgesetzt. Ziele wie Nachhaltigkeit, Ökologie, sozialer Ausgleich und Fair Trade können deshalb eine größere Rolle spielen – wenn die Eigentümer solche Gedanken fördern.

Ihre Philanthropie lebt Hoppe-Ritter in der Kunst aus. Im September 2005 eröffnete sie ihr eigenes Museum. Ein kalkheller Kubus steht jenseits der Schokoladenfabrik. Das großzügige zweistöckige Gebäude mit Blick ins Naturschutzgebiet misst exakt 44 mal 44 Meter. Geplant hat es der renommierte Schweizer Architekt Max Dudler, manche Stadt würde sich die Finger danach lecken. „So ein großes Projekt habe ich in meinem Leben noch nicht realisiert“, sagt die Unternehmerin. 130.000 Besucher kamen in den ersten anderthalb Jahren nach Waldenbuch, um einen Ausschnitt von Hoppe-Ritters rund 700 Werke umfassender Sammlung zu sehen. Sie kauft Kunst, die das Quadrat thematisiert. Eines ihres Lieblingsstücke ist das „Tableau feu“ von Bernard Aubertin aus dem Jahr 1965. Sie weiß auch: „Das Museum vermittelt ein positives Bild der Marke Ritter Sport.“

Betriebsrätin Geiger sieht das ähnlich – und zwar vom Standpunkt der Beschäftigten aus. „Ich betrachte das Museum Ritter als Zusage an den Standort Waldenbuch.“

Ist Marli Hoppe-Ritter nun eine konventionelle Unternehmerin, die sich ein bisschen Sozialpolitik für ihr gutes Gewissen leistet und per Kunstsponsoring ihren Namen überliefern will? Oder kann man sie als „soziale Kapitalistin“ bezeichnen? „Ich würde sagen, die Ritters gehören zu den sozialeren Arbeitgebern“, sagt Jürgen Reisig von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten.

HANNES KOCH, 46, ist taz-Parlamentskorrespondent und lebt in Berlin. Dieser Beitrag ist seinem Buch „Soziale Kapitalisten – Vorbilder für eine gerechte Wirtschaft“ entnommen, das 2007 im Rotbuch Verlag Berlin erschienen ist. Es hat 192 Seiten und kostet 19,90 Euro