Querfront gegen die Medien

Ein Bündnis von fünf Kleinparteien erhebt schwere Vorwürfe gegen die Hamburger Lokalmedien: Sie sollen die Berichterstattung über die Parteien vor der Bürgerschaftswahl zensiert haben

VON CLAAS GIESELMANN

Viel ist nicht los im großen Saal des Restaurants „Dubrovnik“ nahe des Berliner Tors. Ein Bündnis von Kleinparteien hat zur Pressekonferenz geladen und fast kein Journalist ist gekommen – trotz oder gerade wegen des Vorwurfs, den AGFG, Graue Panther, ÖDP, die Piratenpartei und die Zentrumspartei hier aussprechen: Hamburgs Medien zensieren ihre Berichterstattung über die kleinen Parteien.

„Das ist schon fast wie in Russland“, sagt Eckart Schmidt, Vorsitzender der Grauen Panther in Hamburg. Sein Vorwurf geht über reine Ignoranz seitens der Redaktionen hinaus: Mehrfach sei die Berichterstattung über seine und andere kleine Parteien trotz vorheriger Absprachen kurzfristig zurückgezogen worden, „auf Weisung der Chefredaktionen“, da ist er sich sicher. Schmidt ist selber Journalist – auch gegen einen seiner ehemaligen Arbeitgeber erhebt er nun schwere Vorwürfe: den Norddeutschen Rundfunk. Sowohl im Hörfunk, als auch im Fernsehen würde der NDR über kleine Parteien systematisch nicht berichten, sagt Schmidt. Er wisse aber, dass nicht alle Verantwortlichen im NDR besonders glücklich damit sind: „Da wird es noch ordentlich rütteln, ganz sicher.“ Die Parteien informierten jetzt den Rundfunkrat des NDR in einem offenen Brief.

„Die Zulassung von immer mehr Kleinparteien zu den Wahlen zeigt doch, dass die Bürger Interesse an unseren Themen haben“, sagt Susanne Siebert, Hamburger Landesvorsitzende der Allianz für Gesundheit, Frieden und soziale Gerechtigkeit (AGFG). „Wenn über uns dann aber nicht berichtet wird, entsteht bei den Bürgern das Gefühl, dass sowieso immer alles beim Alten bleibt.“ Die Medien seien dadurch auch mitschuld an der niedrigen Wahlbeteiligung, sagt Siebert.

Alle von der taz angefragten Hamburger Lokalmedien wiesen die Anschuldigungen der Kleinparteien zurück: „Der Vorwurf über den Ausschluss von der Berichterstattung im ‚Hamburg Journal‘ ist unberechtigt“, heißt es beim NDR. Man werde über die kleinen Parteien berichten, wobei sich „der Umfang der Berichterstattung nach der Bedeutung der Parteien für die Bürgerschaftswahl“ richte. Dies entscheide die Redaktion aber ausschließlich anhand von journalistischen Kriterien. Auch beim Hamburger Abendblatt streitet man den Zensurvorwurf ab: „Es gibt kein derartiges Diktum seitens der Chefredaktion“, sagt Karl Günther Barth, stellvertretender Chefredakteur der Zeitung. Man entscheide ausschließlich nach Kriterien wie politischer Relevanz, was den Weg ins Blatt finde.

Ähnlich kommentierte auch die Hamburger Morgenpost die Vorwürfe gegenüber der taz: „Für uns ist nur die inhaltliche Relevanz von Themen entscheidend. Wenn wir eine Position für berichtenswert halten, dann schreiben wir darüber“, sagt Maik Koltermann, stellvertretender Ressortleiter „Lokales“. Eine bewusste Benachteiligung oder gar Ignoranz der Kleinparteien in der Berichterstattung gab und gebe es nicht – mit einer Ausnahme: „Bei rechtsextremen Inhalten überlegt man sich natürlich, ob die in einer liberalen Berichterstattung Platz haben.“