Demonstration zur Grünen Woche: Umweltschützer fordern Agrarwende

Tausende Menschen demonstrieren gegen Tierquälerei und Umweltzerstörung durch die industrielle Landwirtschaft. Die Politik aber bewegt sich nur langsam.

Tausendfacher Protest: Demonstranten forderten vor dem Kanzleramt eine Abkehr von Subventionen für die Agrarindustrie. Bild: dapd

BERLIN taz | Tausende Menschen haben am Samstag in Berlin an der zweiten Großdemonstration gegen die Agrarindustrie teilgenommen. Kurz nach dem Start der Landwirtschaftsmesse Grüne Woche forderten sie unter dem Motto "Wir haben es satt!" eine neue Agrarpolitik.

Trotz Schneeregens und obwohl es vor der Kundgebung keinen großen Skandal um Dioxin in Lebensmitteln gab wie 2011, zählten die Veranstalter dieses Mal mehr Teilnehmer: 23.000. Die Polizei nannte keine Zahl, inoffiziell sprachen Polizisten von bis zu 9.000 Demonstranten. Zu dem Protest hatten mehr als 90 Umwelt-, Tierschutz-, Entwicklungs-, Bauern- und Verbraucherorganisationen aufgerufen.

Die "hoch subventionierte Agrarindustrie" produziere auf dem Rücken der Tiere, Umwelt und Konsumenten, kritisierte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). "Der Verbraucher muss wissen, dass er für jedes billige Kilo Schweinefleisch aus industrieller Tierhaltung noch mal einen Euro dazuzahlen muss, um die Folgekosten dieses Wirtschaftens als Steuerzahler zu finanzieren", sagte er - etwa beim "kaputten Grundwasser" in Niedersachsen.

Massentierhaltung gefährde auch die öffentliche Gesundheit, etwa durch Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sind und aus Hühnerställen übertragen werden. Der Fleischindustrie warf Weiger vor, ausländische Arbeiter "als Sklaven" zu halten.

Argarindustrielle Produkte sollen im Laden gekennzeichnet werden

Stattdessen verlangte der Umweltschützer eine "bäuerlich strukturierte Landwirtschaft". "Wir fordern, dass diejenigen öffentliche Gelder kriegen, die es verdienen - die anständig mit Tieren, mit Landschaften, mit Menschen umgehen."

Agrarindustrielle Produktion müsse im Laden als solche gekennzeichnet werden. "Und dann wird sie vorüber sein, weil dann irgendwann sich jeder schämt, so ein Fleisch billigst einzukaufen. Da brauchen wir nur einige Bilder kupierter Schnäbel, Schweine ohne Schwänze, Tiere, die sich nicht bewegen können", so der BUND-Chef.

Dafür bekam Weiger Applaus der Demonstranten, die augenscheinlich eher dem gemäßigten Bildungsbürgertum als dem radikal linken Milieu angehörten. Dass die Bewegung gegen die Agrarindustrie inzwischen weit in die Gesellschaft hineinwirkt, zeigt auch ihr Echo in der Öffentlichkeit: Selbst etablierte Medien wie die Süddeutsche Zeitung oder das ARD-Fernsehen räumen ihr inzwischen breiten Raum ein und stellen sich in Kommentaren oft sogar hinter sie.

Jährlich rund 60 Milliarden Euro Subventionen

EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos hat manche ihrer Forderungen zumindest im Ansatz in seine Reformpläne für die jährlich rund 60 Milliarden Euro Agrarsubventionen übernommen. Selbst Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) bekennt sich mittlerweile zu dem Grundsatz "Öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen".

"Wir bestimmen den Mainstream", sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Selbst Supermarktketten würden inzwischen mit "öko", "fair" und "regional" werben. Die Politik kommt nur langsam nach.

Ciolos etwa will, dass Bauern ab 2014 im Gegenzug für Subventionen 7 Prozent ihrer Fläche für Hecken, Wälder und Brachen reservieren. Aigner ist dagegen. "Wir brauchen den Druck von der Straße", so Baringdorf. Darauf reagiere die Politik - das habe der Atomausstieg nach Fukushima gezeigt. "Wir treffen uns nächstes Jahr wieder," sagte der Landwirt. "Und wir werden gewinnen."

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