Vor den Wahlen in Kenia: Den Haag greift ein

Der Internationale Strafgerichtshof will vier Politikern aus Kenia den Prozess machen. Zwei sind Kandidaten für die nächste Präsidentschaftswahl.

Angeklagt vor dem Internationalen Strafgerichtshof: Uhuru Kenyatta und William Ruto. Bild: reuters

BERLIN taz | Ausgerechnet im Vorlauf auf die nächsten Wahlen in Kenia kommen zwei Präsidentschaftskandidaten des Landes als Mitverantwortliche für tödliche Gewalt nach der letzten Wahl vor den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH). Die 2. Vorverfahrenskammer des IStGH in Den Haag hielt am Montag die Anklagen gegen vier der sechs Politiker in Kenia aufrecht, gegen die wegen Mitverantwortung für blutige Unruhen nach der Parlaments- und Präsidentschaftswahl Ende 2007 ermittelt worden war.

Unter ihnen sind zwei profilierte Politiker, die sich gute Wahlchancen ausrechnen: Uhuru Kenyatta, Sohn des Staatsgründers Jomo Kenyatta und derzeit Finanzminister und Vizepremierminister, und William Ruto, derzeit Bildungsminister.

Kenyatta und Ruto gelten als zwei Führungsfiguren der verfeindeten ethnisch-politischen Lager Kenias, die nach der Wahl Ende 2007 gewaltsam aufeinander losgingen, als der amtierende Präsident Mwai Kibaki sich entgegen dem Ergebnis der Auszählung zum Sieger erklärte und an der Macht blieb.

Fall 1: William Ruto (Bildungsminister), Henry Kosgey (Industrieminister), Joshua Sang (Radioleiter): Mord und Deportation von Regierungsunterstützern der Ethnien der Kikuyu, Kamba und Kisii in Eldoret, Januar 2008. Klage gegen Ruto und Sang aufrechterhalten.

Fall 2: Uhuru Kenyatta (Finanzminister), Francis Muthaura (Nationaler Sicherheitschef), Mohammed Ali (Postchef, früher Polizeichef): Mord, Deportation, Vergewaltigung und anderes an Oppositionsanhängern der Ethnien der Luo, Luhya und Kalnejioin Nakuru und Naivasha, 24.-28. Januar 2008. Klage gegen Kenyatta und Muthaura aufrechterhalten.

Die Polizei ging zur Jahreswende 2007/2008 mit massiver Gewalt gegen Oppositionsdemonstranten vor, als Reaktion kam es zu ethnischen Pogromen gegen Angehörige von Kibakis Ethnie der Kikuyu. Diese wiederum schlugen mit eigenen ethnischen Milizen, genannt Mungiki, gegen als oppositionell geltende Völker zurück. Insgesamt starben über 1.300 Menschen und Hunderttausende wurden vertrieben, bis der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan im Februar eine Regierung der Nationalen Einheit aushandelte. Kibaki blieb Präsident.

Die Angst blieb

Der mutmaßliche Wahlsieger und Oppositionsführer Raila Odinga wurde Premierminister, und eine neue Verfassung wurde ausgearbeitet. Dennoch bleibt die Angst groß, dass beide Seiten sich für eine neue blutige Konfrontation bei den nächsten Wahlen rüsten. Diese wurden kürzlich von August 2012 auf März 2013 verschoben.

Der Internationale Strafgerichtshof wurde eingeschaltet, nachdem sich herausstellte, dass der politische Druck auf Kenias Justiz im Land selbst zu groß war. Gegen sechs von mehreren Dutzend mutmaßlichen Gewaltverantwortlichen wurden Ermittlungen eingeleitet. Sie blieben unüblicherweise auf freiem Fuß, teils sogar in der Regierung, und kooperierten freiwillig mit Den Haag. Zwei getrennte Vorverfahren wurden eröffnet. In beiden Fällen wurden die Anschuldigungen nun jeweils gegen zwei der drei Beschuldigten aufrechterhalten.

Der bekannteste kenianische Kämpfer gegen Korruption und Straflosigkeit, John Githongo, nannte den Spruch aus Den Haag "eine große Sache". Führende kenianische Politiker stünden nun an der Seite von Verbrechern wie Ratko Mladic und Charles Taylor, freute er sich. "Das ist gar keine nette Gesellschaft."

Der Richterspruch fiel mit zwei Stimmen gegen eine. Der deutsche Richter Hans-Peter Kaul konnte sich nicht durchsetzen mit seiner Meinung, das Gericht sei nicht zuständig, da es sich nicht um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handele.

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