Völkerrechtler fordert Uranmunition-Verbot: "Die Waffe ist effektiv und billig"

Militär und Rüstungsfirmen nutzen Waffen mit Uranmunition: Soldaten und Zivilisten sterben seit Jahren an Krebs. Trotzdem scheut die Bundesregierung die Ächtung.

Auf dem Nato-Übungsplatz auf Sardinien wird eine Rakete getestet. Bild: privat

taz: Herr Mohr, was ist Uranmunition?

Manfred Mohr: Uran-Munition ist eine spezielle konventionelle Waffe, deren Geschossspitzen mit abgereichertem Uran (DU) gehärtet sind. Uran ist ein Schwermetall mit extremer Dichte, 1.7 mal dichter als Blei, das verleiht dem Geschoss eine sehr hohe Durchschlagkraft. Zudem ist DU ein Abfallprodukt der Nukleartechnik und daher äußerst billig und in großen Mengen zu bekommen.

Wofür werden diese Waffen benutzt?

Sie werden als panzerbrechende Waffen eingesetzt. Die DU-Geschosse durchdringen Panzerungen und auch Bunker wie weiche Butter. Beim Auftreffen entwickeln sie eine sehr hohe Hitze – bis zu 5000 Grad Celcius – und brennen durch die Panzerung durch. Erst dann explodieren sie und setzen dabei Giftwolken aus radioaktivem Staub frei.

Es gibt auch andere Möglichkeiten Geschosse zu härten, insbesondere mit dem Schwermetall Wolfram. Solche Munition wird von der Bundeswehr eingesetzt. Auch Wolfram ist riskant, da es wie alle Schwermetalle giftig ist. Doch es ist nicht so effektiv und dazu bedeutend kostspieliger als DU.

Wer benutzt DU und wo wurde es eingesetzt?

MANFRED MOHR: 63, ist Professor für Völkerrecht und Vorstandsmitglied der Internationalen Koalition zur Ächtung von Uranwaffen (ICBUW). Er vertritt die Organisation in Deutschland.

DIE VERASTALTUNG: Handicap International organisier die Podiumsdiskussion "Uranmunition – Risiko für Mensch und Umwelt" mit dem Völkerrechtler Manfred Mohr und dem Strahlenbiologen Edmund Lengfelder.

DER TERMIN: 26.01.2012, 19:30 Uhr, Gasteig 5, 81667 München.

20 Armeen sollen DU-Waffen besitzen. Nachgewiesenermaßen haben die USA und Großbritannien abgereichertes Uran benutzt. Verifizierte Einsatzgebiete waren das Kosovo, Serbien und der Irak. Andere Einsatzszenarien sind umstritten, wie Afghanistan oder Libyen. Aber es gibt Hinweise darauf, dass auch dort DU-Munition verschossen wurde.

Bezeichnenderweise haben die kriegsführenden Mächte gleich zu Beginn der Operation in Libyen erklärt, dass sie keine Uran-Munition verwenden. Man fühlt sich wohl moralisch auf der falschen Seite, wenn man zugibt, DU-Munition einzusetzen.

Welche Folgen hat der Einsatz für die Bevölkerung?

Uran ist ein Schwermetall und hochgradig toxisch und auch eine strahlende Substanz. Uran ist also im doppelten Sinne schädlich – durch seine chemische und radiologische Giftigkeit. Beim Auftreffen dieser Geschosse entstehen giftige Staubwolken, die kleinste Nanopartikel beinhalten.

Diese Nanopartikel werden eingeatmet, kontaminieren den Boden und das Grundwasser. Dadurch ist die Bevölkerung unmittelbar gefährdet, sich hochgradige Vergiftungen zuzuziehen. DU ist genotoxisch, das heißt es kann die Gene beeinflussen und ist damit schädlich für den menschlichen Organismus, mit katastrophalen Folgen wie Nierenschäden, Tumore, Fehlgeburten, Missbildungen und Krebs.

Das betrifft auch die Soldaten. Tausende Veteranen sind am Golfkriegssyndrom erkrankt. Gab es keine Schutzkleidung?

Im normalen Kampfeinsatz sind die Soldaten nicht geschützt. Es gibt lediglich Schutzvorkehrungen für die Einheiten, die hinterher solche Gebiete aufräumen. Oft hatten die verbündeten Militärs keinerlei Informationen über den Einsatz von DU, darum wurden keine Schutzmaßnahmen getroffen. So erging es beispielsweise Soldaten aus Italien und auch der Bundeswehr im Kosovo-Einsatz.

Italien hat 2009 die kausalen Zusammenhänge von DU-Munition und bestimmten Krebserkrankungen anerkannt und 30 Millionen Euro als Wiedergutmachungsfond bereitgestellt – für kranke Militärangehörige. Was geschieht mit der Zivilbevölkerung in den betroffenen Regionen?

Die bleibt sich selbst überlassen. Ähnlich dramatisch ist die Umweltzerstörung auf militärischen Übungsplätzen, auch dort wird neben anderen Kampfmitteln DU verschossen. Durch die kriegsvorbereitenden Manöver ist die dortige Zivilbevölkerung ebenfalls multitoxischen Vergiftungen ausgeliefert.

Die aktuellen Ermittlungen und Klagen gegen den Truppenübungsplatz "Salto di Quirra" auf Sardinien zeigen, wie brisant das Thema DU und die Verseuchung durch Kampfstoffe auch in Europa ist.

Die Bundesregierung hat zwar den Atomausstieg beschlossen, die Ächtung von DU-Munition scheut sie aber, da gesundheitsschädliche Auswirkungen der Waffen nicht wissenschaftlich erwiesen seien. Wird das DU-Problem von Politikern verharmlost?

Zum einen sagt die Bundesregierung: wir sind sauber, wir haben solche Waffen nicht und zum anderen gibt es diese detaillierten Schutzvorkehrungen für BW-Soldaten, die in betroffene Gebiete geschickt werden. Man erlässt Schutzvorschriften und meint, damit hätte man genug getan, um die eigene Truppe zu schützen. Dass darüber hinaus die Bevölkerung betroffen ist, wird einfach übergangen.

Für viele Politiker ist das Thema nicht brisant genug. Man scheut sich davor, sich zu stark zu engagieren, da solche Kritik gern als anti-amerikanistisch ausgelegt wird. Auch der Druck der DU-Staaten selbst ist sehr hoch. Aus militärischer Sicht ist die Waffe höchst effektiv und zudem billig, auf so eine Wunderwaffe möchte man ungern verzichten.

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