Ermittlungen zum NSU: Suche nach rechten Terrorhelfern

Die Polizei durchsucht in Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg Wohnungen. Zwei der Verdächtigen stammen aus dem verbotenen "Blood & Honour"-Netzwerk.

Zwei der Verdächtigen stammen nach Informationen der taz aus dem "Blood & Honour"-Netzwerk (Bild aus dem Jahr 2006). Bild: ap

BERLIN/HAMBURG | Die Zahl der mutmaßlichen Helfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) vergrößert sich weiter. Am Mittwoch haben etwa 110 Polizisten in mehreren Bundesländern Wohnungen und Geschäfte durchsucht, darunter in Chemnitz, Dresden und im Erzgebirge, außerdem in Ostthüringen und im Großraum Stuttgart.

Inzwischen beschuldigt die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe elf Personen, die rechtsextreme Terrorgruppe unterstützt zu haben - vier mehr als bisher.

Zwei der Beschuldigten sollen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe schon 1998 Sprengstoff und eine Schusswaffe zur Verfügung gestellt haben, so die oberste Anklagebehörde in Karlsruhe - diese Taten sind allerdings schon verjährt. Doch die Bundesanwaltschaft hat den Verdacht: Auch danach könnten sie den NSU im Untergrund zumindest logistisch unterstützt haben.

Die beiden weiteren neuen Beschuldigten sollen den Mitgliedern des NSU in den Jahren 2002 und 2003 mehrere Schusswaffen verschafft haben. Sie sollen bisher unbekannte Kontaktpersonen eines bereits Ende November festgenommenen mutmaßlichen NSU-Unterstützers gewesen sein.

Pumpgun für den Untergrund

Unter den Waffen, die die zwei dem Neonazitrio im Untergrund verschafft haben sollen, sei auch eine Pumpgun gewesen, so die Bundesanwaltschaft. Zwei solcher Schrotflinten wurden im Wohnmobil gefunden, in dem sich Mundlos und Böhnhardt am 4. November 2011 in Eisenach nach einem Banküberfall selbst erschossen.

"Heute ging es um das Auffinden von Beweisen für die Lieferung von Waffen", begründete Generalbundesanwalt Harald Range die Razzia. Festgenommen wurde niemand. Es sei eine der "vordringlichsten Aufgaben, den Kreis der Unterstützer des NSU umfassend zu ermitteln", so Range. "Auf dem Wege dahin sind wir in den letzten Wochen erheblich vorangekommen."

Die Ermittler scheinen nun vor allem die Überbleibsel des im September 2000 verbotenen militante Neonazinetzwerks "Blood & Honour" ins Visier zu nehmen.

Nach taz-Informationen wurden als Teil der Razzia auch die Wohnungen von zwei ehemaligen Mitgliedern von "Blood & Honour" aus Sachsen durchsucht - Jan W. und Thomas S.

Schon im August 1998, kurz nachdem Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe untertauchten, hatte es Hinweise gegeben, dass das Trio aus diesem Umfeld heraus im Untergrund unterstützt werden könnte. In dem Zusammenhang hatte der sächsische Verfassungsschutz damals Jan W. und weitere Neonazis aus dem "Blood & Honour"-Netzwerk observiert, wie der Innenminister des Landes vor kurzem intern berichtete. Bis 2002 habe es "zum Teil sehr intensive Maßnahmen" gegeben. Gebracht haben sie nichts.

"Landser"-Helfer

Doch der nun ins Visier geratene Neonazi Jan W. war nicht nur Teil von "Blood & Honour", sondern half im Jahr 2000 auch der später als kriminelle Vereinigung eingestuften Neonaziband "Landser" bei der Produktion und beim Vertrieb der CD "Ran an den Feind". In einem der Songs auf der Platte hieß es: "Terroristen mit E-Gitarren, neue Anschläge sind schon geplant." Der konspirativ vertriebenen CD lag damals ein Schreiben bei, das mit den Worten endete: "Alles für Deutschland. Heil Hitler!"

Ob man Jan W. und Thomas S. aber im Zusammenhang mit dem "Nationalsozialistischen Untergrund" strafrechtlich etwas wird nachweisen können, ist ungewiss.

Die rechtsextreme Terrorgruppe NSU hat zwischen September 2000 und April 2007 acht türkisch- und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin ermordet. Außerdem hat die Neonazibande im Januar 2001 und im Juni 2004 in Köln Bombenanschläge verübt. Zur Finanzierung des Lebens im Untergrund überfielen die Rechtsextremen eine Reihe von Banken in Ostdeutschland.

"Strafrechtlich bewerten wir das derzeit als Bildung einer terroristischen Vereinigung, Mord in zehn Fällen, ein versuchter Mord, zwei Sprengstoffanschläge und drei Fälle der schweren räuberischen Erpressung", sagte Generalbundesanwalt Range.

Vier mutmaßliche Unterstützer des NSU sitzen bereits seit einigen Wochen in Untersuchungshaft. Ebenso die einzige Überlebende des Terrortrios, Beate Zschäpe. Die 37-Jährige schweigt nach wie vor.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.