Jedes Bilderbuch ein Kunstwerk

VERLAGE IM NORDEN I Im Langenhagener Gimpel Verlag erscheinen aufwändig illustrierte Kinderbücher wie „Blumkas Tagebuch“ über den Arzt Janusz Korczak, der jüdische Kinder ins KZ begleitete und mit umkam

Es gibt weder weiße Stellen noch standardisierte Buchstaben. Jede Seite ist anders

Wie weit sie zum norddeutschen Lokalkolorit beitragen, lässt sich schlecht messen, eine interessante Komponente der hiesigen kulturellen Landschaft sind sie aber zweifellos: idealistische, weil meist kleine Verlage im Norden, von denen wir einige in lockerer Folge vorstellen werden.

Ein Schreibtisch mit einem Laptop, ein Buchregal, eine Couch, ein Stuhl, ein kleiner Tisch. Es wäre ein ganz normales Wohnzimmer, lägen da nicht mehrere Stapel mit eingepackten Büchern auf der Erde: 150 Exemplare von nur zwei Titeln sind es, die meisten davon auf Japanisch.

Luca Emanueli nimmt einen der großen schmalen Bände in die Hände. Es ist die japanische Übersetzung von „Blumkas Tagebuch“. Das ist ein Bilderbuch für Kinder über das Leben im Warschauer Waisenhaus des Arztes Janusz Korczak. Als die von ihm betreuten jüdischen Mädchen und Jungen 1942 von den Nazis ins Vernichtungslager Treblinka transportiert wurden, entschied er sich, mit ihnen zu fahren, um sie in den Gaskammern nicht alleinzulassen. Er kam mit ihnen um. Dabei hätte er sich durchaus retten können.

Dass dieses Buch der Polin Iwona Chmielewska auf Deutsch und inzwischen auch auf Japanisch, Koreanisch, Polnisch, Hebräisch und Französisch erscheinen konnte, ist das Verdienst von Luca Emanueli und Adam Opyrchal. Sie haben vor sechs Jahren den Gimpel Verlag im niedersächsischen Langenhagen gegründet, in dem Kinderbücher wie „Blumkas Tagebuch“ mit aufwändigen Illustrationen veröffentlicht werden.

Kennengelernt haben sich die beiden Büchermacher an der Uni Hannover beim Germanistik- und Romanistik-Studium. Schnell haben sie ihre gemeinsame Liebe für schöne Bilderbücher entdeckt. „Bücher haben mich schon von klein auf fasziniert“, sagt Emanueli, der mit 19 aus Italien zum Studium nach Deutschland kam.

Heute ist er 33, schreibt eine Doktorarbeit über einen Dialekt seiner norditalienischen Heimatstadt und widmet sich im Übrigen seinem Verlagsprojekt. Als Büro dient seine kleine Wohnung in der hannoverschen Oststadt, und fast täglich spricht er mit Adam Opyrchal über neue Projekte. Der 41-Jährige Opyrchal kam als Jugendlicher aus Polen nach Deutschland. Unter seinem Künstlernamen Adam Jaromir schreibt er selbst Kindergeschichten. Demnächst wird im Gimpel Verlag „Fräulein Esthers letzte Vorstellung“ von ihm erscheinen. Es handelt von den letzten Wochen in dem Waisenhaus, das der erwähnte Janusz Korczak leitete. Illustriert hat es Gabriela Cichowska – in Ocker und verschiedenen Grautönen.

Auch in den anderen Büchern des Gimpel Verlags – etwa über die erste Giraffe in Frankreich oder eine übermütige Mopsfledermaus – dominieren gedämpfte Farben. „Wir haben etwas gegen grelle Farben. Dunkle und helle Töne müssen sich abwechseln, Schrift und Bild müssen in einer Beziehung zueinander stehen.“

Was er damit meint, demonstriert Emanueli an einem typischen Bilderbuch: rechts die Zeichnung, links der Text mit kleinen schwarzen Buchstaben auf weißem Papier. In den Büchern des Gimpel Verlags findet man dagegen keine weißen Stellen und keine standardisierten Buchstaben, jede Seite wird anders gestaltet. „Alles muss schön sein“, lautet die Devise. Das hat seinen Preis: Die Bilderbücher kosten bis zu 30 Euro. „Dafür gibt es eine kleine Käuferschicht. Um die Bücher billiger zu machen, müssten wir auf Qualität verzichten. Das wollen wir nicht“, sagt Emanueli.

Und weil das so ist, hat der Verlag schon mehrere Auszeichnungen bekommen. „Blumkas Tagebuch“ etwa wurde in Polen zum Bilderbuch des Jahres gewählt. In Deutschland wurde der Titel für den Jugendliteraturpreis nominiert. Und seine Pläne für die Zukunft beschreibt Emanueli so: „Von Jahr zu Jahr besser werden und mehr neue Titel herausbringen. Ich lebe für meine Bücher, mit meinen Büchern, aber noch nicht von meinen Büchern. Dafür braucht es noch drei, vier, fünf Jahre.“  JOACHM GÖRES