Der Kulturarbeiter

PORTRÄT Guido Möbius ist Experimentalmusiker, Musikverleger und Promoter für verwegene Klänge. Jetzt ist sein Verlag Autopilot 18 Jahre alt geworden und feiert am Donnerstag im Acud ein Mini-Festival

Wie als Musikverleger steht Möbius auch beim Promoten für einen außergewöhnlichen Katalog an Künstlern

VON JENS UTHOFF

Wer in Berlin etwas mit Independent- oder Off-Kultur zu tun hat, der wird früher oder später auf diesen Mann treffen. Ein schmaler Typ, kurzes, gräuliches Haar, Nickelbrille. Eine vermeintlich unauffällige Erscheinung Mitte vierzig, immer in Diensten der Musik unterwegs. Entweder steht er auf der Bühne und experimentiert mit Gitarre, Effektgeräten und Verzerrern, oder aber, öfter, er zieht die Fäden im Hintergrund und sorgt dafür, dass andere Bands der Öffentlichkeit bekannt beziehungsweise gut umsorgt werden.

Die Rede ist von Guido Möbius. Möbius ist Experimentalmusiker, betreibt einen Musikverlag und ist Promoter für Bands – in dieser Funktion informiert er Redaktionen in aller Welt über Kulturprodukte und aktuelle Veröffentlichungen. Während er als Musikverleger und Promoter als Autopilot firmiert, macht er unter seinem bürgerlichen Namen selbst Musik, die verspielt und sphärisch ist.

Was tun Musikverleger?

Mit dem Musikverlag feiert Möbius inzwischen seine Volljährigkeit. Den 18. Geburtstag als Autopilot begeht er am Donnerstag mit einem Mini-Festival im Acud, bei dem befreundete Künstler und Musiker auftreten – insgesamt spielen acht Acts (à 20 Minuten). Gleichzeitig veröffentlicht der Verlagsbetreiber eine Compilation, auf der 14 Künstler aus seinem Dunstkreis vertreten sind. Möbius, der in Köln aufgewachsen ist, gründete den Musikverlag 1997. Damals rief er ihn gemeinsam mit dem Labelbetreiber Willy Schwenken im westfälischen Nottuln ins Leben – seit 2000 betreibt er ihn weitestgehend allein, nachdem er Ende der 90er nach Berlin kam.

Aber was zur Hölle macht überhaupt ein Musikverleger? Was unterscheidet ihn vom Labelbetreiber? „Es geht um die Rechte und Copyrights von Musikern und Musikerinnen“, sagt Möbius beim Gespräch in einem Kreuzberger Café. Er schließe Verträge mit den Bands ab und habe damit die Verlagsrechte der Künstler inne. „Und dann kümmere ich mich um Dinge wie die Gema, mache viel Papierkram und administratives Zeug“, sagt er. Gleichzeitig hat er eine Beraterfunktion für Künstler wie zum Beispiel den befreundeten Songwriter F.S. Blumm inne. Oder er übernimmt Managertätigkeiten wie Auftrittsverträge prüfen.

Bei vielen Musiklabels sind die Verlage direkt angeschlossen. Zugleich gibt es aber auch eigenständige Musikverlage wie Autopilot. Möbius sagt, ihm sei es wichtig, immer nur kurzzeitige Verträge mit den Künstlern zu schließen. „Ich möchte, dass die Künstler sich von Projekt zu Projekt neu entscheiden können.“ Warnen würde er Bands immer vor so genannten 360-Grad-Verträgen, die vor einigen Jahren in der Diskussion waren: Dabei treten die Musiker all ihre Rechte – etwa auch Beteiligungen an Live-Einnahmen, Merchandising-Verkäufen – an die Labels beziehungsweise deren Musikverlage ab. Ein eigenes Label betrieb Möbius, der lange „rumstudiert“ hatte, ehe er sein Studium abbrach und unter anderem als Folkmusik-Produzent arbeitete, lange Zeit auch noch: Emphase Records. Diese Indie-Plattenfirma, auf der er und befreundete Künstler Vinyl-Singles veröffentlichten, lässt er allerdings seit etwa zehn Jahren ruhen.

Wie als Musikverleger steht Möbius auch beim Promoten für einen außergewöhnlichen Katalog an Künstlern, die er vertritt. Und wie beim Verlag gibt es kaum Genre-Beschränkungen: „Die Musik muss ein eigenes, scharfes Profil haben“, sagt er, mehr Bedingungen gebe es eigentlich nicht. Nur zu gewöhnlich dürfe es nicht daherkommen, dann werde ihm schnell langweilig.

Was er über seine Funktion in der Öffentlichkeitsarbeit sagt, ist bemerkenswert: „Promoter ist so’n Job, den sehen viele als Klinkenputzer-Tätigkeit – als gehe es nur darum, etwas verkaufen zu müssen“, erklärt er. „Aber zu sagen: Ich bin Promoter, und ich finde das richtig und wichtig, dass diese Arbeit gemacht wird, weil es ein wichtiges Bindeglied in der Kulturarbeiterwelt ist – das erlebt man nicht oft.“

Und dann hätte Möbius neben Büroarbeit und „Familienzweitjob“ (er ist zweifacher Vater), die er beide in den heimischen vier Wänden in Weißensee ausübt, ja noch einen Dritt- oder Viertjob, je nach Zählweise: den des Musikers. Auch als solcher arbeitet er in einem kleinen Heimstudio, das er sich eingerichtet hat. Auf vier reguläre Alben, ein Remix-Album und eine Split-Veröffentlichung blickt Möbius als Musiker zurück.

Gerade kümmert er sich verstärkt um dieses Standbein, denn noch in diesem Jahr soll ein neues Album erscheinen. Und im Herbst will Möbius, der Konzerte in ganz Europa spielt, wieder touren. Möbius, der einst Gesangsunterricht nahm und Gitarre autodidaktisch gelernt hat, trennt zwischen der veröffentlichten Musik und seinen Auftritten: „Die Live-Stücke sind ruppiger, schneller, clubaffiner und dreckiger“, sagt er. Am morgigen Donnerstag wird davon etwas zu hören sein. Und auch der Rest des Möbius’schen Kosmos’ wird dann in Erscheinung treten.

■ Various Artists: „Autopilot Compilation“ (Label/Morr Music)

■ Autopilot Mini-Festival, mit Sicker Man, Guido Möbius, F.S. Blumm u. a., 7. Mai, 20 Uhr, Acud