Digitalisierung im Kino: Abgewickelt

Während Multiplexe ihre Filme bald nur noch digital zeigen, haben die Programmkinos Probleme mit der Finanzierung.

Die Umrüstung von Filmrolle auf Festplatte ist teuer. Bild: dapd, Matthias Rietschel

Im Pankower Kino Blauer Stern steht die analoge Vergangenheit noch neben der digitalen Zukunft. Aus dem Vorführraum richten sich zwei Projektoren auf die Leinwand - dem moderneren der beiden fehlen die großen 35-Millimeter-Spulen. Aber die Vergangenheit hat nichts mehr zu melden: Der Blaue Stern hat seine beiden Säle umgerüstet und projiziert bereits alle Filme digital. "Die alten Projektoren bleiben trotzdem stehen", sagt Betreiber Uwe Feld: Aus Nostalgie.

Zwar weigern sich viele Berliner Kinobetreiber, ihre alten Projektoren zu verschrotten: Aus Traditionsbewusstsein oder aus Angst vor einem Ausfall der neuen Technik. Doch zunehmend werfen Computer die Bilder per Digitalprojektor auf die Leinwand. Dafür liefern die Verleiher nur noch bespielte Festplatten und nicht mehr die auf große Spulen gerollten Filmstreifen. 201 der insgesamt 266 Berliner Kinosäle hat das Medienunternehmen Bewegte Bilder bisher auf Digitalisierung überprüft - schon 108 davon sind digitalisiert. "Es gibt zwar keinen unmittelbaren Zwang zur Digitalisierung", sagt der Sprecher der Mutltiplexkette Cinemaxx, Arne Schmidt. "Aber logistisch ist es der einfachere Weg."

In der Vergangenheit versprachen sich Befürworter der Digitalisierung vor allem bessere und schärfere Bilder von der neuen Technik. Doch Einzug hält diese nun eher, weil Verleiher und langfristig auch Kinobetreiber damit flexibler und billiger arbeiten können: Digitale Kopien auf Festplatte sind günstiger und schneller zu verbreiten als Filmrollen. Außerdem ermöglichen digitale Systeme die lukrative Übertragung von Live-Veranstaltungen wie Fußballweltmeisterschaften.

Allerdings: Die Umrüstung ist teuer, große Multiplexe können sie viel leichter stemmen als kleine Programmkinos. Die Kosten bewegen sich zwischen 70.000 Euro für einen Saal mit 2-D-Technik und 100.000 Euro für einen 3-D-Saal. Da viele Kinobesucher bereit sind, für die meist in Multiplexen laufenden 3D-Filme höhere Eintrittspreise zu bezahlen, lohnt sich die Investition für die großen Ketten schneller: Um 3-D-Blockbuster zeigen zu können, müssen sie ihre Säle ohnehin aufrüsten - und schlagen mit der Anschaffung digitaler Projektoren gleich zwei Fliegen mit einer Klappe.

So hat Cinestar bereits 32 seiner 60 Berliner Säle digitalisiert, UCI mit seinen vier Standorten will die noch fehlenden 13 seiner insgesamt 32 Leinwände im Laufe des Jahres umrüsten. Am weitesten ist die Cineplex-Gruppe mit neun Filialen und 30 Leinwänden: Dazu zählen sowohl Ein-Saal-Kinos wie das Adria in Steglitz als auch Multiplexe wie das in den Neukölln Arcaden, wo Cineplex gerade die Digitalisierung komplett macht. Im Cinemaxx am Potsdamer Platz sind dagegen erst fünf von 19 Sälen digital. "Wir arbeiten noch an einem Kooperationsvertrag mit Sony, um das Virtual-Print-Fee-Modell umzusetzen", erklärt Sprecher Schmidt. Virtual-Print-Fee (VBF) ist die Zauberformel, mit der Kinobetreiber wie Verleiher an den Kosten der Umrüstung beteiligt werden sollen - denn für die Verleiher wird der Filmvertrieb per Festplatte oder künftig sogar Satelliten-Übertragung erheblich billiger. Also sieht VBF die Hilfe Dritter vor: Unternehmen wie Sony rüsten die Kinos um und holen sich die Kosten über einen längeren Zeitraum hinweg jeweils anteilig von Betreibern und Verleihern zurück.

Woran Cinemaxx noch arbeitet, darauf warten auch die meisten Programmkinos: Eine finanzielle Beteiligung der Verleiher an den Umrüstungskosten. "Das durchzusetzen, fällt Kinos mit Hollywood-Filmen im Programm natürlich leichter", sagt Christian Bräuer, Vorstandsvorsitzender der AG Kino-Gilde, des Verbands der Filmkunst- und Programmkinos: "Uns gegenüber halten viele Verleiher ihre Zusagen, sich zu beteiligen, bislang nicht ein." Außerdem bestünden sie auf der Anschaffung von Digital-Projektoren, die dem von großen US-Studios propagierten "DCI-Standard" entsprechen. Das aber seien die teuersten Anlagen, weil sie mit einem aufwändigem Kopierschutz ausgestattet sind.

Zumindest einen weiteren Kampf haben die hiesigen Programmkinos derweil gewonnen: den um staatliche Fördergelder für die Umrüstung. Erfüllt ein Betreiber eines kleinen Kinos alle Richtlinien der Förderprogramme, erhält er bis zu zwei Drittel der Kosten für die Digitalisierung eines Saals aus öffentlichen Mitteln. Das meiste kommt vom Bund und der Filmförderungsanstalt (FFA). In Berlin und Brandenburg gibt es seit 2010 zudem Landesgelder: 1,2 Millionen Euro hat das Medienboard Berlin-Brandenburg bislang für 61 Leinwände in beiden Bundesländern bewilligt, 28 davon in Berlin. Das entspricht etwa einem Viertel aller Programmkino-Säle in der Stadt, bei denen die Digitalisierung im Gange oder abgeschlossen ist. Der Blaue Stern in Pankow mit seinen beiden digitalisierten Sälen gehört also zu einer Minderheit.

Solle auch der Rest der Kinos folgen, müssten sich alle Verleiher an den Kosten beteiligen, sagt Programmkino-Vertreter Bräuer. Er ist auch Geschäftsführer der Yorck-Kinogruppe, die zwölf Häuser in der Stadt betreibt und bereits einige - das International und teilweise das Filmtheater am Friedrichshain - auf digital umgestellt hat. "Zwar ist die Digitalisierung für die Kleinen schwierig zu stemmen, aber sie bietet auch große Chancen", findet Bräuer. Ein mit Mini-Budget produzierter Autorenfilm etwa lasse sich leichter vervielfältigen, wenn er dafür nicht erst teuer auf 35-mm-Rollen gespielt werden müsse - sondern einfach auf eine Festplatte kopiert werden kann.

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