HERKUNFTSLAND
: Dicker, blonder Mann

Alexander packt den Typen, hält ihn von sich und schreit

Es ist abends in Neukölln. Viel los auf den Straßen. Ich laufe mit Alexander von der Weserstraße Richtung Sonnenallee, da rennt ein kleiner Typ in Alexander rein. Ich bin abgelenkt mit einer Kippe, die ich mir gerade drehe. Aus dem Augenwinkel sieht es so aus, als sei es ein versehentlicher Zusammenprall.

Doch Alexander packt den Typen, hält ihn von sich und schreit: „You can’t steal my wallet!“. Ich gehe ein paar Schritte nach hinten. Alexander ist groß, der Typ ist klein, ich denke, es kann nichts passieren. Doch der Typ gibt Alexander eine aufs Auge und rennt weg. Alexander hat eine Platzwunde. Aber er will keinen Krankenwagen. Bloß keinen Stress. Er haut auch ab. Ich starre verwirrt ins Leere und rufe reflexhaft die Bullen.

Ein paar Minuten später kommt die Streife. Zwei Männer. Der eine: jung, groß, blond; der andere: kleiner, älter, dicker. „Hallo, ich habe angerufen“, ich gehe auf die beiden zu und fange direkt an zu erzählen, nenne aber keine persönliche Daten von Alexander. „Wie sahen die beiden aus?“, fragt der alte. „Mein Bekannter ist groß, schwarz, hat dunkle Rastas. Der andere war klein, dick, schwarze Haare, schwarzer Bart“.

Der junge Polizist resümiert „Also ’n Afrikaner. Und wat war der andere für ’n Landsmann?“. Ich frage mich, welcher Teufel mich geritten hat, die 110 zu wählen. „Was im Pass des Typen steht? Keine Ahnung. Wahrscheinlich ein Deutscher, aber eben mit Migrationsvordergrund.“ Der junge Polizist guckt mich verständnislos an.

Dann sagt sein kleiner Kollege: „Bei der Polizei müssen Sie immer das mutmaßliche Herkunftsland von gesuchten Personen angeben. Nur so können wir sie schnell finden.“ Nach dem Geburtsort eines kleinen, dicken, blonden Mannes hätten sie mich nicht gefragt. Ich entschuldige mich für meinen Anruf und denke im Gehen: Schade.

KATHARINA SCHWIRKUS