ZWISCHEN DEN RILLEN
: Sex, Drugs und Klebetattoos

Zhala: „Zhala“ (Konichiwa Records/Caroline International)

Als Tochter eines kurdischen Paars in Stockholm geboren wuchs Zhala Rifat mit orientalischen Beats, Bollywood-Filmen und einer diasporischen Existenz auf. Politik war in ihrer Familie omnipräsentes Thema. Ihre Mutter ist nicht nur Aktivistin, sie kämpfte auch in der kurdischen Guerilla und als Peschmerga. Zhala Rifat erlebte seit ihrer Kindheit Rassismus und Identitätskrisen aus eigener Anschauung.

Dieses Leben erforscht sie heute noch. Ihre Experimentalität kommt nicht nur in ihrer Musik zum Vorschein, sondern auch in ihrer Selbstfindung. So trat die 27-Jährige bei einem Auftritt als Support-Act für Robyn & Röyksopp in New York vor einer kurdischen Flagge auf. Dieses Symbol ist mehr als nur Referenz zur Familiengeschichte, für die der kurdische Nationalismus überlebenswichtig ist. „Flaggen sind ein sehr sensibles, für viele Menschen emotionales Thema. Damit möchte ich spielen“, erklärt die Künstlerin.

Zwischen Ausschluss und Gemeinschaft hangelte sie sich lange entlang dieser Identitätsausdrücke, heute provoziert sie damit in ihrer Musik. Der Mix aus bollernden Rave-Beats, gleißenden Synthesizerhooklines, verträumtem Pop und ihrer hohen, beinahe außerirdischen Stimme mündet in einen magisch-düsteren Klangteppich.

Sie selbst nennt ihr Genremosaik „Cosmic Pop“ und beschreibt es als eine Arena, die sie um die Einzelfragmente ihrer Gefühle herum gebaut hat. Die Wurzeln aus orientalischen Sounds und Dancefloor schauen aus dieser Collage wie ein langer, roter Faden hervor.

Zahla Rifats eindrucksvolle Musikvideos passen makellos in die zeitgenössische Popkultur im Netz. Im Clip zu „Holy Bubbles“ fährt sie als Kim Kardashian verkleidet in einem silbernen Sportwagen, tanzt im orientalistischen Dress unter einem Kronleuchter, posiert vor Wolkenkratzern, räkelt sich lasziv auf einem Motorrad und erlebt einen Trip im Techno-Club.

Ihr Gesicht glitzert, sie trägt Klebetattoos und hat einen betäubten Blick. Wieder weht die kurdische Flagge. Die Ästhetik erinnert an Acid-Szenarios schwuler Techno-Clubs, billig-überspitzen Pornoclips und nahöstlich-romantische Nostalgie. So wie ihr Bühnenritual daraus besteht, sich und ihr Publikum mit Rosenwasser zu besprühen.

„Mein Name Zhala bedeutet Oleander, meine Mutter liebt Blumen“, erzählt sie. „Ich versuche, mir meine Identität neu anzueignen, so wie ich als Frau auch meine Sexualität zurückerobere.“

Daran arbeitet sie auch bei dem Trio Donna Scam. Zuerst als dekadente, lesbische Pianobarnummer angedacht, entwickelte sich Donna Scam zu einer außergewöhnlichen Partyreihe in Stockholm, die sich von der Mainstream-Lesbenszene abgrenzt. Hier geht es um Intimität, Verspieltheit und Experimentierfreude der Partygäste, die zu Teilen auch hetero oder schwul sind. „Es ist kein politischer Raum, obwohl die Party an sich als politische Praxis zu verstehen ist“, erzählt Zhala.

Neuaneignung und Zitieren macht einen großen Teil von Rifats Collage-Pop aus: zum Beispiel, wenn sie bei den schwedischen Grammies Nirvanas Hit „Smells Like Teen Spirit“-Video interpretiert. Oder wenn sie in ihrem „Aerobic Lambada“-Clip eine Bomberjacke mit der Rückenaufschrift „This is Sweden“ trägt: eine Referenz an das gleichnamige multimediale Projekt über die migrantische Perspektive zweier Geschwister. Aber schnelllebigen Radical Chic bedient sie mit ihrer Biografie nicht. „Mir geht es darum, ich selbst zu sein und nicht irgendwelche Systeme zu bedienen. Genau dazu will ich mein Publikum inspirieren: aus sich herauszukommen und ungekünstelt aufzutreten.“ Mit ihrer machtvollen Art von „Cosmic Pop“ und ihrem Lyrikduktus – übrigens sehr ähnlich dem Kurt Cobains – hat Zhala Rifat schon Skandinavien erobert, jetzt kommt der Rest der Welt. HENGAME YAGHOOBIFARAH