Amt des Bundespräsidenten: Klarsfeld mögliche Gauck-Konkurrentin

Die Linkspartei überlegt, die Nazijägerin Beate Klarsfeld als Gegenkandidatin von Joachim Gauck aufzustellen. Über ihren Mann lässt sie mitteilen, dass sie bereit steht.

Sie steht bereit: Beate Klarsfeld. Bild: dpa

Die als Nazijägerin bekannte Beate Klarsfeld soll gegen Joachim Gauck antreten. Das ist zumindest die Idee der Linkspartei, die derzeit nach einer überparteilichen Herausforderin gegen den ehemaligen DDR-Bürgererchtler sucht. "Meine Frau steht als Kandidatin zur Verfügung", sagte ihr Mann Serge Klarsfeld den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. Parteichefin Gesine Lötzsch sagte dazu nur, sie führe derzeit "viele Telefonate". Die Linkspartei will am Donnerstag bekannt geben, ob und gegebenenfalls wer für sie am 18. Märtz gegen Gauck antritt.

Sollte Klarsfeld tatsächlich kandidieren, wäre das für die Linkspartei in jedem Fall ein gelungener Überraschungscoup. Denn die Deutsch-Französin ist zwar mit 73 Jahren in einem ähnlichen Alter wie Joachim Gauck (72), sonst aber trennen beide Welten.

Während Gaucks Handeln vor allem von der DDR-Diktatur geprägt ist, hat Klarsfeld fast ihr ganzes Leben lang ehemalige Nazis verfolgt. Gauck empfing deutsche Ehrungen und wird von einer Fast-Allparteienkoalition unterstützt. Beate Klarsfeld dagegen wird bis heute ohne Begründung das Bundesverdienstkreuz verweigert.

Berühmt wurde die zierliche Frau mit einem Schlag am 7. November 1968, und das ist wörtlich zu nehmen. CDU-Parteitag, West-Berlin. Kurt-Georg Kiesinger, ein ehemaliges NSDAP-Mitglied, ist Bundeskanzler in einer großen Koalition mit der SPD. Da steigt die 29-jährige Klarsfeld auf das Podium, überrascht den Kanzler und versetzt ihm eine schallende Ohrfeige. Dazu ruft sie "Nazi, Nazi"!

"Nestbeschmutzerin"

Für ihre medienwirksame Aktion wird Klarsfeld zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, später wurden daraus vier Monate mit Bewährung. Fortan gilt sie in der Bundesrepublik, wo zu dieser Zeit noch viele Ex-Nazis in Amt und Würden stehen, als "Nestbeschmutzerin". Ihr Lebensthema, den Kampf für die Bestrafung von Nazi-Kriegsverbrechern, entdeckte Klarsfeld durch Zufall. 1960 ging sie noch unter ihrem Mädchennamen Beate Auguste Künzel als Aupair-Mädchen nach Paris. Dort lernte sie den Anwalt Serge Klarsfeld kennen, dessen Vater im Vernichtungslager Auschwitz ermordet worden war.

Beide wollten sie dafür sorgen, dass Massenmörder nicht friedlich ihren Lebensabend beschließen sollten, sondern hinter Gitter kamen. Beate Klarsfelds Ohrfeige gegen Kiesinger blieb zwar ihre berühmteste Aktion. Viel wichtiger aber waren die Bemühungen des Ehepaares, ehemalige Täter dingfest zu machen. Dazu zählte zum Beispiel Alois Brunner, der Stellvertreter von Adolf Eichmann, dem "Judenreferenten" des Reichssicherheitshauptamts. Klarsfeld machte darauf aufmerksam, dass sich der Gesuchte im syrischen Damaskus befand. Doch das syrische Regime, dem Brunner angeblich als Geheimdienst-Ausbilder zu Diensten stand, behauptete immer wieder, man wüsste nichts von Brunner. Inzwischen ist der Massenmörder wahrscheinlich verstorben, ohne dass ihm jemals der Prozess gemacht werden konnte.

Erfolgreicher war da schon Klarsfelds Kampf um die Bestrafung eines anderen notorischen Massenmörders. Kurt Lischka hatte während der Nazi-Besatzung Frankreichs für die Deportation zehntausender Juden in den Tod gesorgt und lebte in den 1970er Jahren unbehelligt in Deutschland. Erst dank Beate Klarsfelds Aktionen blieb der bundesdeutschen Justiz nichts anderes übrig, als Lischka 1980 anzuklagen. Er wurde zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt.

"Offizier der Ehrenlegion"

Zuletzt brachte Klarsfeld die Deutsche Bahn AG in Nöte. Die französische Staatsbahn SNCF hatte auf ihre Initiative hin Bilder von deportierten Kindern auf ihren Bahnhöfen gezeigt und damit sowohl auf deren Schicksal als auf die eigene Mitschuld aufmerksam gemacht. Der damalige Chef der Deutschen Bahn, Hartmut Mehdorn, mochte sich jedoch dieser Form des Gedenkens nicht anschließen und verweigerte entsprechende Bilderschauen auf deutschen Bahnhöfen, angeblich aus "Sicherheitsgründen". Erst später musste die Bahn auf massiven öffentlichen Drucks hin ihre Meinung ändern.

So sehr die Deutsch-Französin Beate Klarsfeld in ihrem Lebensmittelpunkt Paris verehrt wird – von Präsident Nicolas Sarkozy wurde sie zum "Offizier der Ehrenlegion" ernannt, so wenig offizielle Anerkennung hat sie in Deutschland gefunden. Widerholt wurde Klarsfeld als Trägerin des Bundesverdienstkreuzes vorgeschlagen. Doch alle diese Bemühungen sind bisher versandet – zuletzt eine Intiative der Stadt Berlin im vergangenen Jahr. Das Bundespräsidialamt lehnte ab – ohne Angabe von Gründen.

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