die Wahrheit: Panini-Album peinlicher Präsidenten

Was soll eigentlich die Aufregung um Gauck? Man hat doch wirklich schon Schlimmeres auf diesem Posten gesehen.

Was soll eigentlich die Aufregung um Gauck? Man hat doch wirklich schon Schlimmeres auf diesem Posten gesehen. Nicht nur den Rabattmarkensammler aus Osnabrück, dessen zwar richtige Sätze zum Thema Integration leider vollkommen unglaubwürdig wirkten, weil er als niedersächsischer Regierungschef einen gewissen Uwe Schünemann zum Innenminister machte – einen Mann, der dadurch bekannt wurde, dass er in Deutschland geborene, aufgewachsene und integrierte Kinder gnadenlos in für sie fremde Länder wie den Kosovo oder Vietnam abschieben ließ.

Aber Wulff war nicht die erste moralische und ästhetische Herausforderung auf dem Präsidentenstuhl. In meiner Amtszeit als Bundesbürger habe ich zum Beispiel den ehemaligen SA-Mann und Wanderkameraden Karl Carstens und das Volkslieder trällernde Lockenköpfchen und Ex-NSDAP-Mitglied Walter Scheel als Staatsoberhäupter erlebt.

Und den angeblich so liberalen Richard von Weizsäcker, der bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen als Assistent seinen Vater, den Nazi-Staatssekretär Ernst von Weizsäcker verteidigte und später als Regierender Bürgermeister von Berlin seinen Kettenhund Heinrich Lummer auf die Hausbesetzer hetzte. Nur um die Spitzen des peinlichen Präsi-Eisberges zu nennen. Papa Lübke mal ganz außen vor. Und selbst den hat die Republik verkraftet – und war seitdem froh, wenn die Nachfolger wenigstens gelegentlich eine unfallfreie Rede halten konnten.

Dass man zwischendurch auch mal Glück haben kann, durfte ich allerdings ebenfalls erfahren. Mein erster bewusster Bundespräsident war Gustav Heinemann: Ein Mann ohne Nazi-Vergangenheit, ein Antimilitarist, der wegen der Wiederbewaffnung zunächst als Bundesinnenminister zurück- und später aus der CDU austrat, dann als SPD-Justizminister zwar die Notstandsgesetze befürwortete, aber – in der großen Koalition ein Skandal – gleichzeitig Verständnis für die protestierenden Studenten äußerte.

Und dann gibt es von Heinemann noch den demokratischen Kuschelsatz: „Ich liebe nicht den Staat, ich liebe meine Frau.“ Dieser Liebe entsprang bekanntlich eine sympathische irre Tochter, die Theologin Uta Ranke-Heinemann, die in der Lage ist, jede beliebige Plapper-Talkshow mit ihrem türkisfarbenen Lederkostüm und hysterischem, aber nichtsdestotrotz klugem antipapistischem Gekreische in eine anarchisch-sinnvolle Veranstaltung zu verwandeln.

Nun also Joachim Gundel Gauckelei. Warum auch nicht? Schließlich ist der Pfarrer aus dem Osten so enorm von sich selbst beeindruckt, dass ihm das Amt naturgemäß zusteht. Außerdem hat er im Alleingang die DDR in die Knie gezwungen. Nee, Quatsch, das war ja Wolf Biermann. Egal.

Da es nun mal vollkommen schnurz ist, wer in diesem – in letzter Zeit so grotesk überschätzten – Amt die Winkekatze gibt, kann es auch der eitle Gauck machen. Oder Howard Carpendale. Nur Beate Klarsfeld nicht. Alte Nazis jagen und ohrfeigen ist bei uns einfach nicht mehrheitsfähig.

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kari

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