„taz“ auf der Leipziger Buchmesse 2012: Jenseits des Überhübschen

Frank Goosen ist ein schreibender Troubadour: Wäre er ein Sänger, würde er den Grönemeyer geben. „Sommerfest“ ist ein Heimatroman ohne pittoreske Kulisse.

Sommerfest abseits des Glamour. Bild: boing/photocase

Frank Goosen verkörpert den seltenen Fall eines Schriftstellers, der zum Popstar wurde. Nein, dieser Autor hat keine Scheu, sich öffentlich zu bekennen, sich zu verteidigen. Loriotsche Szenen wie in „Papa ante portas“, in der bei einer Lesung eines Lyriker dieser „Krawehl, Krawehl“ ausruft und das Publikum vor Verzückung feuchte Augen vor Andacht bekommt, sind Goosens Sache nicht.

Er ist ein Skitter, ein Darsteller, ein Mann der bekennenden Performance – und zwar zum Ruhrgebiet, zu den Menschen, die dort leben. In „Sommerfest“, seinem neuesten Roman, das ganz unverhüllt ein Bekenntnis zu diesem Ruhrgebiet ist, schildert er den „Roadtrip“ seines Alter ego Stefan, der an einem Wochenende wieder in seine alte Gegend kommt, um das Haus seiner Eltern zu verkaufen. Was sich um dieses Wochenende herum entwickelt, welche Begegnungen wichtig werden, was an Altem und Vergrabenem wieder geborgen wird – Goosen schildert dies liebevoll, munter und gründlich.

Er ist der schreibende Troubadour einer Weltgegend jenseits des Glamours, und in diesem Teil jenseits des Überhübschen wie Düsseldorf ist Goosen geworden, was er nun ist: ein Mann, der die besten Heimatgeschichten des Landes erzählt. Er kann dies idiomatisch, seine Sprache ist körperlich spürbar – wäre er ein Sänger, würde er den Grönemeyer geben.

Gott sei Dank ist er Goosen geblieben, und so erfahren wir eine Menge Geschichten aus diesem „Pott“. Die beste Stelle des Buches steht auf der Rückseite des Covers: „Woanders weiß er selber, wer er ist, hier wissen es die anderen. Das ist Heimat.“ Es ließe sich sagen: Goosen ist ein Kind, geboren und aufgewachsen in Friedenszeiten – gerade weil er keinen Krieg zu rekapitulieren hat. Seine Bücher, sein Kabarett, seine Geschichten überhaupt zeigen ein Land, einen Landstrich, in dem eine gute Kindheit, eine prima Jugend, ein gewöhnliches Erwachsenwerden möglich war und ist.

Goosen, hinter dessen Komik immer ein Moment von Traurigkeit vermutet werden darf, hat insofern einen Heimatroman geschrieben, wie er nicht stärker von Folklore entfernt sein kann. Es ist eine Heimat, die ohne dräuenden Wald und pittoreske Kulissen wie aus dem Reiseführer auskommen kann: Hier ist er der, der er werden konnte – und der er besser auch bleibt. Wo würde er sonst bleiben können?

Donnerstag, 15.3., 13 Uhr im taz-Studio (Halle 5 / E 410 a): Der Autor Frank Goosen im Gespräch mit Jan Feddersen (taz)

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