Hartz-IV-Sperre für EU-Zuwanderer: Alle Klarheiten beseitigt

Der wissenschaftliche Dienst des Parlaments übt indirekt Kritik an der Bundesregierung. Das könnte für EU-Bürger mit Hartz-IV-Anspruch Folgen haben.

Hartz-IV-Akten in einem Sozialgericht. Bild: dapd

BERLIN taz | Dass neu eingewanderte EU-Bürger nicht mehr direkt bei ihrer Ankunft Hartz-IV-Leistungen erhalten sollen, könnte juristisch nicht haltbar sein. Das geht aus einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags hervor, das der taz vorliegt.

Im Februar hatte das Bundesarbeitsministerium die Agentur für Arbeit angewiesen, EU-Zuzüglern direkt nach ihrer Ankunft kein Arbeitslosengeld II (Hartz IV) zu gewähren. Eigentlich schützt das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) die Ansprüche der EU-Bürger auf Sozialleistungen. Doch in Deutschland zahlten die Jobcenter manchmal trotzdem kein Geld aus. Dagegen hatte ein Franzose im Herbst 2010 vor dem Bundessozialgericht (BSG) geklagt und Recht bekommen.

Die Bundesregierung legte daraufhin gegen das Urteil einen Vorbehalt ein. Sie argumentierte, so trete sie der Ungleichbehandlung innerhalb der EU-Mitgliedstaaten entgegentreten. Denn nicht alle EU-Staaten seien Mitglieder des Abkommens. Außerdem solle Missbrauch vorgebeugt werden.

Laut Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes ist entscheidend, ob es sich beim Urteilsspruch des Bundessozialgerichts um eine neue Gesetzeslage handelt oder eben nicht. Das Urteil des BSG habe nicht die bestehende Rechtslage verändert, sondern nur auf ein Versäumnis aufmerksam gemacht. Damit jedoch wäre der Vorbehalt der Bundesregierung nicht haltbar, argumentiert das Gutachten einerseits.

Andererseits könne man auch auf dem Standpunkt stehen, dass jedes neu verkündete Gesetz als neu gilt. „Es ist bezeichnend, dass der wissenschaftliche Dienst nicht eindeutig Position für die Regierung bezieht – das ist schon ein Statement“, sagte die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Katja Kipping, der taz.

Der wissenschaftliche Dienst versäumt es jedoch, eine zentrale Frage aufzugreifen. Laut Dorothee Frings, Rechtsprofessorin an der Hochschule Niederrhein, verstößt eine Benachteiligung der EU-Bürger von Deutschen gegen eine neue EU-Verordnung.

„Die Bundesregierung begibt sich auf juristisches Glatteis“, sagte Kipping. Das Gutachten lege die Möglichkeit nahe, dass der Vorbehalt der Bundesregierung gegen das EFA rechtlich nicht haltbar sei.

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