Buchpremiere: "Zukunft ohne Geschlecht"

Anja Kümmel stellt ihren neuen Roman vor - der düster ist, punkig, experimentell und ganz ohne Manifestcharatker sehr genderpolitisch.

Anja Kümmel ist eine Bremer Autorin. Bild: thealit

taz: Frau Kümmel, wie fühlt es sich an, mit Hauptfiguren zu schreiben, die Neutra sind?

Anja Kümmel: Das ist schwer zu sagen, weil ich mich mit dem Gender-Thema selbst ja schon lange beschäftige, auch während des Studiums schon. Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, über eine Zukunft ohne Geschlecht in einer Sprache zu schreiben, die von diesem Konzept durchdrungen ist.

Der personalisierte Gebrauch des Pronomens „Es“: „Pai ergriff Ashurs Ellbogen und zog es aus dem Gedränge.“ Oder: „Es wurde ohnmächtig“ - das klingt schon ziemlich speziell, oder?

Im Anfang ist mir das auch erst schwergefallen. Aber dann hatte ich mich ziemlich schnell daran gewöhnt. Es sorgt allerdings wirklich immer wieder für irritierte Kommentare.

Wie jetzt, ich dachte, die Lesung heute sei die Buchpremiere?

Ist sie auch. Aber ich habe schon mal hier und da kleinere Auszüge vorgelesen – auch um die Reaktionen zu testen.

Anja Kümmel, 33, stammt aus Karlsruhe, hat in Los Angeles, Hamburg und Madrid studiert und lebt in Bremen.

Ihre "Träume Digitaler Schläfer" sind in der Reihe queerlab beim Bremer thealit Verlag erschienen, 406 S., 12 Euro. Es ist breits ihr dritter Roman.

Die Buchpremiere findet statt am 10.5. 2012 um 20 Uhr im Café Ambiente, Osterdeich.

Und?

Die meisten Leute dachten, das müssten Androiden sein oder etwas in der Art. Jedenfalls keine Menschen: Die Vorstellung ist sehr stark, dass Menschen immer ein Geschlecht haben müssen – auch in der Zukunft.

… in der Ihr neuer Roman ja hauptsächlich spielt. Warum das, nach bislang eher gegenwartszentrierten Büchern?

Ich mag die Abwechslung, mich hatten auch die experimentellen Möglichkeiten des Genres gereizt, gerade auch, weil ich den Ansatz der feministischen Science Fiction der 70er und 80er für spannend halte – aber die Bücher waren es ja nicht: Da werden oft Botschaften verkündet, da gab’s immer eine klare Message…

Wer waren denn Ihre literarischen Vorbilder?

Ich hatte mich, als ich das Buch geschrieben habe, sehr für Cyberpunk interessiert, die Klassiker wie Neuromancer oder natürlich Blade Runner – die Vorlage von Philipp K. Dick heißt ja „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“

Oh man! Deswegen der Titel „Träume Digitaler Schläfer“ – hatte ich gar nicht kapiert.

Der Titel stand ziemlich am Anfang, ja: An die Dystopien des Cyberpunks knüpfe ich natürlich an, an diese Ästhetik, auch mit dieser düsteren Welt, die nach dem 80-jährigen Krieg einerseits noch immer hochtechnisiert ist, aber auch im Zerfall begriffen, die ihre Geschichte nur sehr lückenhaft kennt, weil die vergessen ist, und teilweise regelrecht ausradiert, und in der es kaum mehr Natur gibt, und so gut wie gar keine Tiere – außer ein paar Ratten.  

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