Blockupy in Frankfurt: Frohsinn schlägt Härte

Auf das teils harsche Vorgehen der Polizei reagierten am Samstag mehr als 20.000 Menschen in Frankfurt mit Gelassenheit. Blockupy fand einen würdigen Abschluss.

Haben jetzt auch alle von Blockupy genug? Bild: dpa

FRANKFURT taz | Zehntausende Menschen haben am Samstag in Frankfurt gegen Kapitalismus und die europäische Krisenpolitik protestiert. Zum Ende der so genannten Blockupy-Aktionstage marschierten AktivistInnen um das Bankenviertel bis vor die Europäische Zentralbank (EZB). Die Veranstalter, darunter Linkspartei, Attac und die Interventionistische Linke, sprachen von über 30.000 Menschen, die Polizei schätzte die Zahl der TeilnehmerInnen auf gut 20.000. Ihre Demonstration verlief friedlich: Die von der Stadt Frankfurt befürchteten Ausschreitungen blieben vollständig aus.

Stattdessen liefen Gewerkschafter, Globalisierungskritiker, Umweltschützer und Occupy-Aktivisten zusammen mit Linken aus Italien, Spanien, Frankreich oder Schweden, gemischt mit Abschiebe- und Stuttgart21-Gegnern in einem bunten Zug durch die Stadt. Sie riefen Parolen wie „Kapitalismus raus aus den Köpfen“ und forderten ein Ende der Spardiktate für Länder wie Griechenland und der staatlichen Hilfen für Pleitebanken.

„Weil es notwendig ist, gegen dieses perverse Bankensystem und die Umverteilung von unten nach oben zu demonstrieren“, sind Manfred und Petra aus dem Frankfurter Umland mit ihrem einjährigen Sohn Bennet zur Demo gekommen. Angst vor Krawall hatten sie nicht, sagten sie.

Fröhlicher, gelöster Abschluss der Protesttage

Tatsächlich war es ein fröhlicher, gelöster Abschluss der Protesttage, auf den viele nach den Ereignissen im Vorfeld kaum noch gehofft hatten. Schließlich hatte Behörden und Polizei mit ihrem Totalverbot aller bis Freitag angemeldeten Veranstaltungen eine verblüffend harte Gangart eingeschlagen.

So hart, dass das öffentliche Leben in der Frankfurter City von den Behörden vier Tage lang praktisch lahmgelegt worden war, um die angekündigte Blockade der EZB zu verhindern. Deutlich weniger Aktivisten als erwartet waren bis Freitag zu den Aktionstagen angereist, und die, die kamen, fanden sich oft schnell in Gefangenen-Sammelstellen wieder.

Doch am Samstag war von der gespenstischen Stimmung der von der Polizei belagerten Innenstadt nichts mehr zu spüren - trotz Tausender behelmter Beamter, die entlang der Demo-Route postiert waren. Die Aktivisten waren froh, nachholen zu können, was ihnen zuvor verboten worden war. Viele Passanten und Anwohner zeigten ihre Sympathien, sie reihten sich ein, warfen Bonbons aus dem Fenster oder verteilten Wasser. Bis zum Abend feierten und tanzten die Bankenkritiker in der Frankfurter Innenstadt.

„Blockupy hat gewonnen“, sagte Frauke Distelrath von Attac am Samstag. „Es ist den Behörden nicht gelungen, unseren Protest zu verhindern.“ Die Erlaubnis für die Abschlussdemo hatte sich das Blockupy-Bündnis gerichtlich erstreiten müssen. Es hatte zuvor immer wieder betont, dass von seinen Aktionen keine Gewalt ausgehen solle.

„Wir haben nun Wort gehalten, trotz massiver Provokationen der Polizei über vier Tage hinweg“, sagte Ulrich Wilken, Landesvorsitzender der hessischen Linkspartei am Ende der Demo. Diese Provokationen hätten sich auch am Samstag fortgesetzt, klagten die Veranstalter. Tatsächlich drang die Polizei mehrfach mit Greiftrupps in den Demozug ein, um einen aus mehreren hundert Personen bestehenden schwarzen Block einzukreisen. Doch die Autonomen blieben gelassen.

Polizei „mehr als zufrieden“

Am Ende des Tages erklärte sich die Polizei „mehr als zufrieden“ mit dem Verlauf der Demo und lobte sich für ihre „punktgenaue Lageeinschätzung" selbst. „Der Verlauf der Aktionstage hat die Gefahrenprognose von Stadt und Polizei ad absurdum geführt“, hielt die Attac-Sprecherin Distelrath dagegen, Der hessische Innenminister Boris Rhein habe sich als „Bürgerkriegsminister“ aufgeführt, so Wilken. „Wir sahen uns in der Auseinandersetzung mit einer staatlichen Macht, die uns keinen Raum gegen wollte," sagte Christoph Kleine von der Interventionstischen Linken. Diesen hätten sich die Aktivisten schließlich selbst genommen.

Am Freitagabend hatten der US-Theoretiker Michael Hardt - der Autor des globalisierungskritischen Standardwerks „Empire“ - und der Occupy-Vordenker David Graeber in der Frankfurter Uni zu den Demonstranten gesprochen. „Sich zu verschulden, ist im modernen Kapitalismus zur Grundbedingung für die Existenz geworden“, sagte Hardt. „Und das gilt nicht nur für Staaten, sondern auch für das einzelne Subjekt.“ Ob Bildung, Gesundheit, die alltägliche Lebenshaltung oder eine Wohnung: „Ohne eine niemals endende Verschuldung ist für viele Menschen kaum noch etwas zu haben.“ Ein Ausweg könne nur darin bestehen, „kollektive, soziale Praktiken zu entwickeln, um sich dem Verschuldungszwang zu verweigern,“ sagte Hardt.

„Blockupy war erst der Anfang einer von unten organisierten Gegenmacht“, sagte Kleine. Frauke Distelrath von Attac kündigte am Samstag eine Fortsetzung der Proteste an: "Die Finanzmärkte sind noch nicht gezügelt und es ist keine ausreichende Vermögensabgabe eingeführt“, sagte sie. Das Blockupy-Bündnis werde sich auch in die Debatte über den Fiskalpakt einbringen. „Denn dieser nimmt den Regierungen Europas fast jeden Handlungsspielraum.“

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