Songwriter Billy Bragg über Occupy: „Ein Haufen verfickter Hippies“

Mit Gitarre und Stimme wurde Billy Bragg zur Ikone des linken Protests. Jetzt spricht er über die Schwächen der Occupy-Bewegung und den Reiz Ostberlins.

Billy Bragg singt seit Jahren über linke Themen. Manchmal fühlt er sich jetzt fast wie ein Opa, der den Jungen vom Krieg erzählt. Bild: AP

Mit Gitarre und Stimme kämpfte der britische Liedermacher Billy Bragg gegen Apartheid in Südafrika, gegen den Marktliberalismus der britischen Premierministerin Maggie Thatcher, er griff die britische Monarchie an und George W. Bush.

Aber ausgerechnet für die weltweite Occupy-Bewegung – für viele die hoffnungsvollste Protestbewegung seit langem – hat Bragg kein gutes Wort übrig: „Occupy ist ein Haufen verfickter Hippies“, sagt er in der aktuellen sonntaz. Zwar sei Occupy der Versuch, „neue Antworten auf eine sich verändernde Welt zu finden“, aber Bragg geht das zu zäh. Und die Hippies seien nun mal „die Typen, die alles verbockt haben“.

Trotzdem ist Bragg im November 2011 beim Occupy-Camp in London aufgetreten und hat, auf Wunsch der Organisatoren, die „Internationale“ gesungen und unterstützt die Bewegung mit Liedern für deren Plattenlabel.

Dass „diese jungen Leute“ auf das alte Kampflied der sozialistischen Arbeiterbewegung stehen, hat Bragg gewundert: „Wir brauchen linke Ideen und Konzepte, die nicht vom Stalinismus diskreditiert sind. Ideen, die aus dem Schatten des Totalitarismus treten.“

Bepackt mit Teppichen

Die junge Generation solle sich von alten Spießern wie ihm lösen, und die Alten müssten akzeptieren, „dass die alten Tanzschritte nicht mehr aktuell sind“, sagt Bragg im sonntaz-Gespräch.

Bei ihm selbst habe eine Tour durch die späte DDR einiges gerade gerückt. Er sei froh, dass er 1986 bei Konzerten in Leipzig, Dresden, Neubrandenburg und Hoyerswerda „die ostdeutsche Realität“ habe sehen können. Seitdem sei ihm klar, dass „eine Gesellschaft, die sich auf eine Ideologie stützt, nicht funktionieren kann“. Es müsse „etwas Tieferes, Grundsätzlicheres geben. Ein Dogma reicht nicht“.

Überhaupt - Bragg und die DDR: Mitte der Achtziger war er erstmals auf Einladung der Regierung Gast beim „Festival des politischen Liedes“, einer der größten Musikveranstaltungen der DDR, organisiert von der Freien Deutschen Jugend, der FDJ. Lustig sei es gewesen, vor allem, wenn man im Hotel Unter den Linden einquartiert war, also dort, wo heute an der Ecke Unter den Linden/Friedrichstraße ein gesichtsloser Bürobau mit Shops im Erdgeschoss steht.

Auch nachts um zwei sei die Lobby voller Touristen aus der Sowjetunion gewesen, die schwer bepackt mit Teppichen, Fernsehern und riesigen Taschen auf den Heimflug warteten. „Ostberlin war das Paris des Ostblocks“, sagt Bragg ­ eine Stadt „mit eigenem Charakter“, in der es heute so aussehe wie im Rest der Welt.

Warum er bei seinem zweiten Besuch beim „Festival des politischen Liedes“ aus der DDR geschmissen wurde, weshalb Linke irren, die den Fall der Mauer bedauerten, und wieso er auch heute noch als Jugendlicher lieber die Gitarre zur Hand nehmen würde als zu bloggen, erzählt Bragg im Gespräch in der aktuellen sonntaz. Am Kiosk, eKiosk und im Wochenendabo. Für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

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