Demos und Gewalt in Syrien: Die Hilfe kommt nicht durch

Hilfsorganisationen können das belagerte Homs nicht erreichen. Die Gewalt geht weiter, der Widerstand gegen das Regime auch. Demonstranten stehen unter Beschuss.

In Amuda bastelten Aktivisten die MIG nach, mit der sich ein Pilot nach Jordanien abgesetzt hat. Bild: reuters

BERLIN taz | Das Rote Kreuz und sein islamisches Pendant, der Arabische Halbmond, können tausenden Menschen nicht helfen, die in den von Regimetruppen belagerten Stadtteilen von Homs eingeschlossen sind.

Ein Team der Hilfsorganisation ist am Freitag unverrichteter Dinge nach Damaskus zurückgekehrt, nachdem es Homs wegen „unklarer“ Sicherheitslage und Schusswechseln nicht habe erreichen können. Dabei hatten sich die Regierungstruppen und die Rebellen am Mittwoch auf einen zeitweisen Waffenstillstand geeinigt, um rund 1.000 Familien zu helfen.

Doch noch am Donnerstag, mit rund 170 Toten einem der blutigsten Tage seit Beginn des Aufstandes vor 15 Monaten, wurde die Innenstadt von Homs durch die staatliche syrische Armee beschossen.

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Aus dem belagerten Homs führen verschiedene ungesicherte, rund zwei Meter tief in die Erde gegrabene und bis zu zwei Kilometer lange Tunnel, durch die die Aktivisten Schwerverletzte heraustransportieren. Doch die meisten der in Homs eingeschlossen Familien versuchen derzeit ohne jede Versorgung von außen zu überleben.

Rund 1,5 Millionen Syrer brauchen Hilfe

Das UN-Büro für Nothilfekoordinierung (OCHA) teilte mit, dass immer mehr Syrer humanitäre Hilfe benötigen. Die Zahl der Hilfsbedürftigen sei auf 1,5 Millionen gestiegen. Der Grund für den Anstieg sei die andauernde Gewalt, sagte OCHA-Sprecher Jens Laerke. Im Juli soll versucht werden, Hilfsgüter im Wert von 143 Millionen Euro an bedürftige Syrer zu verteilen.

Unterdessen gingen am Freitag in dutzenden Städten Syriens wieder tausende Menschen auf die Straße, um in friedlichen Demonstrationen den Rücktritt des Präsidenten zu verlangen. In Aleppo feuerten Unbekannte aus vier gepanzerten Fahrzeugen Schüsse in die Menschenmenge. Mindestens zehn Menschen starben.

„Wir werden diese Revolution nihct aufgeben“

Ein Aktivist berichtete aus Duma, einem Vorort von Damaskus, in dem es bis Redaktionsschluss noch keine Toten gab: „Regierungstruppen greifen seit heute morgen Duma an, man hört die Schüsse auch im Umland. Es kann sich kaum auf der Strasse bewegt werden, was ungewöhnlich ist fuer einen Freitag. Eine Demonstration gibt es, trotz des Beschusses. Es ist ein Zeichen an die Assad Schergen, dass diese Revolution nicht aufgeben wird und das wir weiter demonstrieren werden, selbst wenn sie auf uns Schiessen und versuchen durch ihre ständige Brutalität uns Angst zu machen.“

Derweil begingen vier hochrangige Offiziere aus der Provinz Aleppo begingen am Freitag Fahnenflucht. Die Brüder stellten eine Videobotschaft ins Netz, in der sie sich von der Armee lossagen. Im Fall des desertierten Piloten, der am Donnerstag mit seiner MIG-21 in Jordanien gelandet war und politisches Asyl erhalten hatte, erklärte das Verteidigungsministerium am Freitag, man werde von Jordanien die Auslieferung fordern.

Auch das türkische Militär vermisst ein Flugzeug. Die amtliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete am Freitag, es seien zwei Piloten an Bord des Kampfjets, der am Mittag vom Radar verschwunden sei. Das Flugzeug habe den Luftwaffenstützpunkt Malatya-Erhac um 10.30 Uhr (Ortszeit) verlassen, um 11.58 Uhr sei es über dem Mittelmeer südwestlich der Provinz Hatay vom Radar verschwunden. Das türkische Militär fliegt regelmäßig Übungsflüge über internationalen Gewässern, auch vor der syrischen Küste.

Der Gouverneur von Malatya, Ulvi Saran, sagte, die Rettungsmannschaften haben die Vermissten in internationalen Gewässern geborgen. In anderen Medienberichten hieß es, Syrien habe den türkischen Jet abgeschossen.

Massaker an 25 vermeintlichen Regierungsmilizionären

Angaben staatlicher TV-Stationen nach soll ein neues Massaker an Regierungsanhängern verübt worden sein. „Bewaffnete terroristische Gruppen“ hätten 25 Menschen aus dem Dorf Darat Assa in der Provinz Aleppo entführt und getötet, weitere seien „verschwunden“.

Eine Menschenrechtsgruppe sprach von 26 Getöteten, die wahrscheinlich zu Assads Mordmiliz Shabiha gehören. Sie wird für die bislang schlimmsten Gräeultaten an Zivilisten in diesem Konflikt verantwortlich gemacht.

Alle Angaben können nicht unabhängig verifiziert werden, stützen sich aber auf Aussagen und Aktivistenwebsites und Tweets, die sich in der Vergangenheit als glaubwürdig erwiesen haben.

Annan will Iran weiter einbinden

Der Iran sollte nach Überzeugung von UN-Vermittler Kofi Annan ungeachtet politischer Widerstände im Westen in die Suche nach Frieden für Syrien eingebunden werden. „Ich habe klar gemacht, dass der Iran Teil der Lösung sein sollte“, sagte der Sonderbeauftragte von UN und Arabischer Liga für Syrien am Freitag in Genf.

Annan sagte, er habe in den letzten Tagen intensive Beratungen mit Ministern und anderen Vertretern zahlreicher Regierungen geführt, um die von ihm vorgeschlagene Syrien-Kontaktgruppe zustande zu bringen. Ein erstes Treffen des Gremiums soll nach Möglichkeit am 30. Juni in Genf stattfinden, bestätigte der UN-Vermittler. Die Vorgespräche dazu werden aber hinter den Kulissen durch den Streit um eine Einbeziehung der Regierung des Irans überschattet, die als wichtigster Verbündeter des Regimes von Baschar al-Assad gilt.

USA sind vehement dagegen

Während Russland ebenso wie Annan für die Einbeziehung des Iran neben Saudi-Arabien ist, lehnen die USA dies bislang vehement ab. Annan warnte, dass die Zeit für eine diplomatische Lösung des Syrien-Konflikts auslaufe. „Ich fürchte, wir nähern uns dem Tag, an dem es zu spät sein wird, um noch zu verhindern, dass diese Krise außer Kontrolle gerät“, sagte er. „Es ist höchste Zeit, das Morden zu beenden, diese Situation kann nicht endlos weitergehen“.

Dafür müsse der Druck auf die Konfliktgegner in Syrien erheblich verstärkt werden. Sie müssten „überzeugt werden, dass es in ihrem Interesse ist, das Töten einzustellen und mit Verhandlungen zu beginnen“. In diplomatischen Kreisen hieß es, es werde angestrebt, dass die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates - die USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien - sowie die Arabische Liga an der Kontaktgruppe beteiligt werden.

Annan hofft auf Einigung in der Kontaktgruppe

Außer der Frage einer Teilnahme des Irans gehe es aber auch noch darum, wie Assad und die Opposition überzeugt werden könnten, sich auf einen politischen Übergangsprozess zu einigen. Dazu seien auch noch etliche Konsultationen auf diplomatischen Kanälen geplant. Annan sagte, er hoffe auf einen Durchbruch zu einer Einigung auf die geplante Kontaktgruppe und den anvisierten ersten Termin in der kommenden Woche.

(mit afp/reuters/dpa)

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