Direkte Demokratie und Netzausbau: Lustlos oder überfordert?

Es ist Halbzeit bei der Beteiligung der Bundesbürger am Bau neuer Stromleitungen. Bisher sind nur 170 Stellungnahmen eingegangen – wegen unkonkreter Planungen.

Hinterm Horizont geht's weiter. Aber niemand weiß, wo genau: Für viele sind die Pläne zum Netzausbau zu unkonkret. Bild: dapd

BERLIN taz | Was läuft schief bei der Bürgerbeteiligung, wenn einfach niemand mitmacht? Diese Frage stellt sich zur Halbzeitbilanz bei der Stromtrassenplanung für die Energiewende.

Nur rund 170 Stellungnahmen von Bürgern und Initiativen sind bislang bei den Unternehmen eingegangen, die die neuen Höchstspannungsleitungen planen. Grundsätzlich ist aber jeder Bundesbürger aufgerufen, mit Kritik und Ratschlägen an dem Verfahren teilzunehmen.

„Wir würden uns freuen, wenn so viele Stellungnahmen wie möglich kommen“, sagt Ulrike Hörchens, die Sprecherin des Unternehmens Tennet. Diese Firma und die weiteren drei Betreiber des überregionalen Stromnetzes planen für die kommenden Wochen mehrere öffentliche Informationsveranstaltungen, zu denen Bürger und Kommunen eingeladen sind.

Das Gesetz kommt bis Ende des Jahres

Gegenwärtig läuft der zweite Schritt für die Trassenplanung der Energiewende. Ende Mai schlugen die Netzfirmen vor, vier neue Höchstspannungsleitungen von Norden nach Süden durch Deutschland zu bauen. Diese sollen vor allem den Strom der künftigen Windparks auf Nord- und Ostsee nach Bayern und Baden-Württemberg leiten.

Bis zum 10. Juli können die Bürger dazu per Internet oder Brief Position beziehen. Über Ausbauplan und Stellungnahmen entscheidet dann im Herbst die Bundesnetzagentur. Bis Ende des Jahres soll ein Gesetz vorliegen. Darauf aufbauend werden ab 2013 konkrete Trassen geplant. „Wie wichtig die gegenwärtige Konsultation ist, ist noch nicht allgemein bekannt“, so Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe.

Warum sich kaum jemand beteiligt, erklärt Wolfgang Schulze von der Initiative Bürger pro Erdkabel Harzvorland so: „Die bisherige Planung ist viel zu unkonkret.“ Schulze, der in der Nähe einer der neuen Nord-Süd-Leitungen wohnt, weist darauf hin, dass die Unternehmen „80 Kilometer breite, schnurgerade Korridore“ auf der Landkarte einzeichneten. Die potenziell betroffenen Bürger würden die Relevanz für ihr eigenes Wohnumfeld noch nicht erkennen.

Nur Spezialisten könnten die Daten durchschauen, auf denen die Trassenplanung beruht, meint Rosenkranz. Er regt an, dass Fachleute der Bundesnetzagentur den Bürgern und Initiativen dabei helfen, Stellungnahmen zu erarbeiten.

Mehr dezentrale Energieproduktion

Die Erdkabel-Initiative vom Harzrand wird ihren kritischen Kommentar demnächst abschicken. Einerseits will sie erreichen, dass die neuen Trassen auf möglichst langen Strecken unter die Erde verlegt werden. Außerdem sagt Schulze: „Die gegenwärtige Planung verfestigt die alten Strukturen der großen Kraftwerke.“ Vier neue Höchstspannungsleitungen durch Deutschland seien mehr, als tatsächlich gebraucht würden.

Wenn mehr Energie dezentral hergestellt werde, könne man auf einige der Neubauten verzichten. In dieselbe Richtung geht die Kritik des Bundes für Umwelt und Naturschutz. Energieexperte Thorben Becker beklagt die „beinharte Nord-Süd-Ausrichtung“.

Die Empfehlung des Umweltverbandes könnte darauf hinauslaufen, auf eine oder zwei Nord-Süd-Trassen zu verzichten. Außerdem seien insbesondere in Ostdeutschland zu viele Braunkohle-Kraftwerke einberechnet. Nehme man sie heraus, könne der Bedarf an neuen Höchstspannungsleitungen deutlich geringer angesetzt werden.

Dieser tatsächliche oder angebliche Bedarf scheint einer der hauptsächlichen Kritikpunkte in den bisher eingegangenen Stellungnahmen zu sein. Außerdem bezweifelten einige Einwender, dass die Netzfirmen die Kritikpunkte überhaupt berücksichtigten, sagt Tennet-Sprecherin Hörchens. Sie versucht die Bürger zu beruhigen: „Jede Stellungnahme wird ausgewertet und der Plan danach überarbeitet.“

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