Kommentar zur Broschüre vom Verfassungsschutz: Aufruf zur Denunziation

Die Kriterien für die Radikalisierung von Muslimen sind diskriminierend: Bei Nicht-Muslimen würde danach zu Recht niemand fragen.

Es könnte so schön einfach sein: Muslimische Mitarbeiter vor Schichtbeginn auf die Waage – wer abgenommen hat, wird den „Sicherheitsbehörden“ gemeldet, wegen des Verdachts auf ein Doppelleben als salafistischer Terrorist. Aber so einfach ist auch die Welt des Uwe Schünemann nicht. Deshalb hat sein Ministerium ja auch noch 29 weitere Kriterien entwickelt, anhand derer die salafistische Gefahr erkannt werden soll.

Man muss sich ihren Gehalt noch mal vor Augen führen: Veränderte Ess- und Kleidungsgewohnheiten, Bedürfnis nach Privatsphäre, finanzielle Schwankungen. Alles Phänomene, die man bei Nicht-Muslimen wahlweise mit neuer Liebe, Liebeskummer, Weltschmerz oder einem mehr oder minder glücklich verlaufenen Besuch am Roulettetisch erklären würde – und nach denen mit Recht niemand fragt. Spätestens dann wird klar, dass ihre spezielle Betrachtung bei Muslimen nur eines ist: diskriminierend.

Natürlich haben Schünemann und seine Ministerialen sich dagegen abgesichert, als allzu naiv dazustehen. Den Radikalisierungskatalog definierten sie schlicht als nach oben offen. Implizit steckt darin die Aufforderung, nicht nur jene zu denunzieren, die die amtlichen Kriterien zu erfüllen scheinen – sondern auch noch ständig eigene, neue Verdachts-Merkmale zu suchen und zu finden.

Damit erzeugen sie am Ende ein Klima des Argwohns und der Angst.

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Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück

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