Proteste gegen Dow Chemical: Agent Orange für Olympia

Weltweit wird gegen Dow Chemical demonstriert. Der Konzern ist für die Bhopal-Katastrophe verantwortlich, hat „Agent Orange“ produziert – und sponsort Olympia.

Neu Delhi: Proteste gegen Dow Chemical vor dem Sitz des Indischen Olympischen Komitees im April 2012 Bild: dpa

BERLIN taz | Zivilgesellschaftliche Organisationen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, der Schweiz, Indien und Vietnam haben in einem offenen Brief an das Internationale Olympische Komitee gegen einen Hauptsponsor der Olympischen und Paralympische Spiele in London protestiert. Es geht um Dow Chemical.

Das US-amerikanische Chemieunternehmen, Hersteller chemischer Giften, sei ein „unwürdiger Sponsor“, heißt es. Aus Deutschland haben unter anderem das Kinderhilfswerk terre des hommes, die Naturfreunde Deutschlands, der Solidaritätsdienst International Sodi und die Freundschaftsgesellschaft Vietnam unterschrieben.

„Wie erwarten, dass das IOC auf den Sponsor verzichtet, der mit Werbung im Wert von sieben Millionen Pfund (8,7 Millionen Euro) an den Spielen vertreten sein wird“, sagt Stefan Kühner von der Freundschaftsgesellschaft Vietnam der taz. „Dow Chemical“, heißt es weiter in dem offenen Brief, „hat Tod, Verwüstung und unsägliches Leid über Millionen von Menschen gebracht – ein Verhalten, das dem olympischen Gedanken zutiefst widerspricht.“

Dow Chemical ist eine der Herstellerfirmen des Entlaubungsmittels Agent Orange. 80 Millionen Liter davon wurden von 1961 bis 1971 über Vietnam und Teilen von Laos und Kambodscha versprüht. Militärisches Ziel der US-Armee war es, den Regenwald zu entlauben, der der Volksbefreiungsarmee Rückhalt bot.

Drei Millionen Opfer

Das Gift führte zu Krebserkrankungen bei den Menschen, die damit in Berührung kamen. Noch heute werden Kinder ohne Arme und Beine oder mit entstellten Gliedmaßen und Köpfen geboren. Auch die hohe Zahl von erblindeten Menschen schreiben Wissenschaftler den Giften zu. Vietnamesische Quellen sprechen von drei Millionen Opfern.

Auch im Vietnamkrieg abgeworfenes Napalm wurde von Dow Chemical produziert. Legendär wurde das Foto des damals neunjährigen Mädchens Kim Phuc, das nackt mit vor Schmerz entstelltem Gesicht aus ihrem Dorf floh, das Napalmbomben in eine Feuerwalze verwandelt hatten.

Bis heute sind die vietnamesischen Opfer von den Herstellerfirmen der Gifte nicht entschädigt worden. Im Jahre 2008 wies ein New Yorker Zivilgericht in letzter Instanz eine Klage der vietnamesischen Opferorganisation Vava gegen Dow Chemical, Monsata und weitere Chemiefirmen zurück.

Fadenscheiniges Urteil des Zivilgerichts

Die Begründung des Gerichts: Der kausale Zusammenhang zwischen dem Abwurf der Gifte und den Erkrankungen der Opfer sei nicht erwiesen. Anders als die Vietnamesen gingen die amerikanischen GIs, die die Gifte abgeworfen hatten und erkrankten, nicht leer aus. In einem außergerichtlichen Vergleich bewilligten ihnen die Chemiefirmen 180 Millionen Dollar Entschädigung – allerdings ausdrücklich ohne Schuldeingeständnis.

Dow Chemical hat aber auch die Firma Union Carbide aufgekauft. Die ist Verursacherin der Giftgaskatastrophe im indischen Bhopal im Jahre 1984. Durch eine technische Panne traten riesige Mengen Gifte in die Atmosphäre. Es gab bis zu 25.000 Tote durch direkten Kontakt mit der Gaswolke sowie bis zu 500.000 Verletzte, die mitunter bis heute unter den Folgen leiden.

Wie die vietnamesischen Opfer wurden auch die Inder bis heute nicht entschädigt. Indiens Sportler hatten einige Zeit einen Olympiaboykott erwogen, der inzwischen verworfen wurde. Vietnams Sportminister Hoang Tuan Anh appellierte ebenfalls an das IOC, die Entscheidung des Dow-Sponsorings zu überdenken.

Gegen die olympische Idee

Ehemalige und aktive Sportler aus aller Welt, darunter der kanadische Schwimmer und fünffache Paralympics-Champion Walter Wu sowie der französische Rugby-Vizeweltmeister von 1987 Dennis Charvet, protestierten beim IOC gegen den Sponsor. „Wir glauben nicht, dass Dow Chemical den Geist und die Menschlichkeit der olympischen Idee verkörpert“, schreiben sie.

Besonders perfide findet Stefan Kühner von der Freundschaftsgesellschaft Vietnam, dass Dow Chemical mit Werbung bei den Paralympics als Förderer des Behindertensports erscheint, aber seine Produkte dazu beitragen, dass in Indien und Vietnam Menschen unter widrigen Bedingungen mit Behinderungen klarkommen müssen.

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