Die Wahrheit: Feuchte Hausfrauenträume in pink

Ich habe überlebt. Freunde von uns – ich nenne sie nach wie vor so – hatten uns zur Hochzeit einen Gutschein für die angeblich beste Show des Universums geschenkt: „Yma“.

Ich habe überlebt. Freunde von uns – ich nenne sie nach wie vor so – hatten uns zur Hochzeit einen Gutschein für die angeblich beste Show des Universums geschenkt: „Yma“. Im Berliner Friedrichstadtpalast. Vermutlich ein tolles Geschenk für jemanden, der auf die Farben Lila und Pink steht. Ich hingegen fühlte mich weder von der Gestaltung noch vom Inhalt sonderlich angezogen und versuchte daher, den Besuch so weit wie möglich hinauszuzögern. Verhängnisvoll war nur, dass der Friedrichstadtpalast die Show nur noch bis zum 21. Juli zeigt und wir vorher unseren Gutschein einlösen mussten. Wie schlimm kann es schon werden?

Ja, wie schlimm kann es sein, wenn man Lindenstraßenflair mit dem Moulin Rouge kreuzt und das Ganze mit Tücher-und-Trampolin-Akrobatik aufpeppt? Ich bin glücklicherweise im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte und besitze Nerven wie Drahtseile. Ganz anders als mein bedauernswerter Leidensgenosse in der Reihe vor uns, der offenbar nur seiner Gattin zuliebe mitgekommen war. Ihn traf es schlimmer als mich, wie ich seinen angewiderten Kommentaren entnehmen konnte. Ich muss ihm allerdings danken, denn so unterhielt er mich gut zwei Stunden lang besser als die eigentliche Show.

„Ist denn die ganze Welt schwul geworden?“, knurrte die Halbglatze zwischen den Zähnen hervor, als sich ein halbes Dutzend als Matrosen kostümierte Tänzer plötzlich bis auf die Unterhosen entblößte und dann hinter einer Milchglasscheibe auch noch die letzte Hülle fallen ließ. Lustvoll pressten sie ihre – wie sagen Muttis gern? – „Knackärsche“ gegen das Glas und räkelten sich zur Stripteasemusik. Ich verbuchte das Ganze unter „feuchte Hausfrauenträume“, während die Halbglatze zu schwitzen und stöhnen anfing. „Psssst, du hast es versprochen!“, zischte seine Herzensdame, die sich voll und ganz auf die Darbietung konzentrieren wollte.

Glatze biss sich auf die Lippen. Allerdings nicht allzu lang. „Das haben die doch vom Circel del Soli geklaut!“, raunzte der offenbar zirkuserfahrene Mann, als sich eine Horde schwanzloser Marsipulamis anschickte, auf Trampolins wild durcheinander zu hüpfen. Ich fragte mich derweil, wie die gelb-schwarzen Hüpftiere wohl ihre Schwänze verloren haben. Im Trampolin eingeklemmt und abgerissen?

Schon riss mich ein ungläubig gehauchtes „Titten“ aus meinem Träumen. Auf der Bühne war längst wieder Gesang und Tanz angesagt, jetzt sogar oben ohne, was den von homoerotischen Darbietungen arg gebeutelten Glatzenmann aber kaum versöhnte. „50 Euro für ein Paar Möpse“, brummte er, „und sonst nur halbnackte russische Leichtmatrosen.“ Mich hatten die Möpse nur 1,90 Euro „Systemgebühr“ gekostet. Das waren sie durchaus wert, fand ich.

Draußen goss es nach der Show in Strömen. Wir wurden nass bis auf die Unterhosen. Eine gute Gelegenheit, zu Hause gleich einmal den Matrosen-Striptease selbst auszuprobieren – allerdings ohne Publikum. Aber hätte Halbglatze mich dabei gesehen, er wäre sicher sofort schwul geworden.

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Wahrheit-Autor, Jahrgang 1981. Seit 2008 taz-Autor und seit 2009 „ständige Vertretung“ im Ressort Wahrheit. Spezialgebiete: Blasphemie, Schmähkritik sowie satirische Seitenhiebe aller Art.

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kari

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