DIE WAHRHEIT: Die Viertausender unter den Geschlechtergipfeln

Meine derzeitige Ex erwähnte neulich, was Carla Bruni-Sarkozy über ihre Affäre mit Mick Jagger gesagt haben soll: „Ich war eine der 4.000 anderen Frauen in seinem Leben.“

Meine derzeitige Ex erwähnte neulich, was Carla Bruni-Sarkozy über ihre Affäre mit Mick Jagger gesagt haben soll: „Ich war eine der 4.000 anderen Frauen in seinem Leben.“

Was bedeuten denn nackte Zahlen, wollte ich ihr erwidern, insbesondere in diesem Zusammenhang? Ich hätte auch beschämend kühn ein Kontra geben können, mich in die Vergangenheit beamen und nachrechnen – was auch immer die Einbildungskraft beisteuert, wenn man die Reminiszenz an die wilden Abschnitte in der Biografie aufruft.

Viertausend? Ich gehöre nicht zu den Leuten, die so etwas wie „Malen nach Zahlen“ praktizieren. Denn ich beargwöhne generell die Zahlen und Namen, die mein Gedächtnis oft schlampig speichert. Waren es vierzehn, vierzig oder vierhundert? Und hieß die eine nicht Alfonsa die Viertel-vor-Zwölfte?

Mit einer grundverschiedenen Viertausend geriet ich in mildere Verlegenheit. Nein, das Neue Testament klammerte ich aus, wo irgendwo bei Matthäus die wundersame Speisung der Viertausend zu erleben wäre. Sondern ein Freund, der notorisch in den Alpen kraxelt, kam auf den Betrag zu sprechen. Obendrein neigt er zum Ehrgeiz. Er habe sich die Aufgabe gestellt, sämtliche Viertausender in den Alpen zu erklimmen. Ich solle raten, wie viele Gipfel die Union der Alpinismusvereinigungen ihrer erweiterten Liste dieser Spezies zugeordnet hat?

„Vierzig vielleicht?“, brummte ich aufs Geratewohl. Ihm entfuhr ein meckerndes Kichern: „Knapp daneben. Es sind 128!“ Ausnahmsweise schenkte ich meinem Gedächtnis bedingungsloses Vertrauen: keinen einzigen Berg dieser Kategorie hatte ich je bezwungen.

Das nächste Zahlenspiel, das mich zu verwirren trachtete, schloss den magischen Kreis. Es befasste sich geradewegs mit dem Gedächtnis. Ich stieß auf den Essay eines weithin bekannten Neuropsychologen, der vorwiegend darüber forscht. Endel Tulving heißt der Mann, und der Beitrag, mit dem er die Festschrift für einen Kollegen bestückte, nennt sich „Are there 256 different kinds of memory?“.

Tulving durchforstete nämlich die einschlägige Fachliteratur nach Gedächtnisarten, sammelte und sortierte die verwendeten Begriffe und legte sie im Anhang bei. Der Leser ergänze jeweils „memory“:

Den Reigen eröffnen „abnormal“ und „abstract“, der sich fortsetzt mit „echoic“ und „factual“, mit „natural“, „network“ und jäh mit einem „normal“. „Superior“ leitet die dritte Seite ein. Der Abschluss verzeichnet einen hübschen Dreiklang: „waking“, „well-practiced“, „working“.

In dem ironischen Text selbst erfährt man, dass noch vor etwa siebzig Jahren der Mainstream diverser neurowissenschaftlicher Zünfte, die positivistisch werkeln, mit läppischen zwei, drei Gedächtnisarten hantierte! Angesichts dieser Wachstumsrate erbleicht so manche andere Disziplin.

Blitzschnell entwarf ich ein „working memory“-Projekt: Ich würde die gesamte Liste der 256 Gedächtnisarten auswendig lernen. Bevor es eines Tages viertausend werden.

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kari

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