Olympia-Dreispringerin für drei Länder: Die lange Reise der Yamilé Aldama

Sie ist schon für Kuba und den Sudan gestartet. Jetzt möchte die Dreispringerin für Großbritannien eine Medaille gewinnen. Ihr Weg nach London war entbehrungsreich.

Ist keine „Plastikbritin“: Yamilé Aldama Bild: Imago

Als Weltmeisterin hätte sie sich eine andere Begrüßung erhofft. Gerade war Yamilé Aldama im März von den Hallenweltmeisterschaften in Istanbul mit Gold zurückgekehrt, da ging es schon wieder los. Diese „Plastikbritin“ beherrsche womöglich nicht einmal den Text der Hymne „God Save the Queen“, schrieb die Daily Mail.

Was, außer dem Pass, sei denn an Athleten wie Yamilé Aldama wirklich britisch? „Die Debatte wütet weiter“, resümierte die Zeitung. Die Wahlbritin reagierte gekränkt: „Ich habe britische Kinder, mein Ehemann ist Brite. Wovon reden diese Menschen?“ Aber den Vorwurf, die gebürtige Kubanerin sei nur eingebürgert worden, um am sportlichen Ruhm des olympischen Gastgebers zu arbeiten, ist sie mittlerweile gewohnt.

„Mal sehen, was sie sagen, wenn ich olympisches Gold gewinne“, spottet Aldama vor ihrem ersten Auftritt am heutigen Freitag. Die Spiele, sagt sie, seien für sie als Wahllondonerin genauso ein Heimspiel wie für alle anderen britischen Athleten.

Trotzdem ist Yamilé Aldama ein besonderer Fall. In ihrer Karriere ist die gebürtige Kubanerin schon für drei Nationen ins Rennen gegangen, bei Olympia startet sie nun nach Kuba und Sudan für die Briten. Auch sie wisse, dass der Vorwurf, eine „Plastikbritin“ zu sein, also ohne wirkliche Bindung zu dem Land, für das sie antritt, zunächst plausibel erscheine. Beim näheren Hinsehen aber relativiert sich das Bild, und es offenbart sich eine bewegende Geschichte.

Von Havanna nach London

Geboren wurde Aldama in Kubas Hauptstadt Havanna. Als vielversprechende Dreispringerin mit einem schlanken, drahtigen Körper schaffte sie es schnell in den kubanischen Jugendnationalkader, für den sie 1988, als 15-Jährige, Gold bei den zentralamerikanischen U20-Weltmeisterschaften holte. Elf Jahre später wurde Aldama WM-Zweite in Sevilla, und bei den Olympischen Spielen in Sydney verpasste sie nur knapp Bronze.

Der damals 27-Jährigen stand die Welt offen. In der kubanischen Sportszene war Yamilé Aldama längst eine respektierte Größe, nur eine olympische Medaille fehlte noch. Aber es kam anders, und das noch einige Male. Nachdem sich Aldama in einen Schotten verliebt hatte, heiratete das Paar und zog 2001 nach London, wo sie einen Sohn zur Welt brachte.

Es folgte nicht nur die Sperre durch den kubanischen Verband, sondern auch die Festnahme des Ehemanns wegen Drogenhandels. Dieser musste ins Gefängnis. Mit rudimentären Englischkenntnissen, kaum Geld, einem Baby und einer laufenden Bewerbung um die britische Staatsbürgerschaft stand Aldama plötzlich allein da. „Ich werde manchmal nach dem schlimmsten Moment gefragt“, sagt sie. „Aber es gibt nicht einen. Es waren so viele.“

Mithilfe ihres Londoner Trainers Frank Attoh, der gleichzeitig zum Babysitter wurde, hatte Aldama nach einer Babypause 2004 wieder olympisches Niveau erreicht. Aber dann stellte sich heraus, dass sie in Athen nicht unter britischer Flagge antreten dürfte. Dafür reichte ihre bisherige Aufenthaltsdauer nicht aus. Angebote kamen unter anderem von den Verbänden aus Spanien und Tschechien, Aldama entschied sich für Sudan. Bei den Spielen 2004 wurde sie Fünfte.

Zehn Jahre bis zur Einbürgerung

Mit ihren Sorgen wollte Aldama ihre Familie in Kuba nicht belasten, also erzählte sie lange nichts von der Situation. Um ihren Sohn zu schützen, schwieg sie auch vor ihm. Zurück nach Kuba wollte die Dreispringerin nicht. Aber irgendwie ging es trotzdem immer weiter. Als Yamilé Aldamas Sohn Amil älter wurde und ihr zweites Kind zur Welt kam, unterbrach sie die Karriere erneut. 2008 in Peking war Aldama nicht dabei, und auch sonst reiste sie kaum zu Wettbewerben.

Aber 2010, zehn Jahre nach ihrer ursprünglichen Bewerbung, genehmigten die britischen Behörden schließlich die Staatsbürgerschaft. Zu Aldamas Glück kooperierte auch der sudanesische Verband. Endlich durfte die gebürtige Kubanerin für das Land antreten, das sie seit der Geburt ihres ersten Sohns als ihre Heimat bezeichnet.

Großbritannien hat Yamilé Aldama mittlerweile bei zwei Weltmeisterschaften vertreten. Eine davon hat sie gewonnen. „Unter britischer Flagge zu springen war immer das, was ich wollte. Man hat mich nur lange nicht gelassen“, sagt sie kurz vor ihrem Auftritt im neuen Londoner Olympiastadion, den die Athletin sehnlichst erwartet.

Wer nicht verstehe, dass sie eine „echte Britin“ ist, obwohl sie schon Kubanerin und Sudanesin war, der solle einfach auf ihre Medaille im Dreisprung warten. „Die britische Hymne“, sagt Yamilé Aldama, „kann ich fehlerfrei singen.“

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