Bürgerbegehren für Platz-Umbennenung: Münster will den Reichspräsidenten

Der Schlossplatz in Münster war früher nach dem einstigen Reichspräsident Hindenburg benannt. Nun fordern Konservative den alten Namen zurück.

Mit seiner Unterschrift für das Ermächtigungsgesetz gab Hindenburg (l.) den Weg für den Nationalsozialismus frei. Bild: ap

KÖLN taz | Der Platz vor dem fürstbischöflichen Schloss ist nicht der schönste Ort im westfälischen Münster, aber dafür der größte und einer mit Tradition. Heute eine als Parkplatz dienende Brachfläche, fanden hier einst zur Kaiserzeit Paraden und militärische Aufmärsche statt. Die Nazis nutzten den Ort, den die Stadtoberen stolz als „zweitgrößten innerstädtischen Platz Europas“ bezeichnen, zur Bücherverbrennung. Hindenburgplatz, so hieß er 85 Jahre lang – und möglicherweise ab Mitte September wieder. Eine rechtslastige Initiative hat einen Bürgerentscheid über die Rückbenennung erzwungen.

Mit einer deutlichen Mehrheit hatte der Münsteraner Stadtrat am 21. März die Umbenennung des Hindenburgplatzes in Schlossplatz beschlossen. 53 Ratsmitglieder stimmten dafür, nur 23 dagegen. „Das bisherige Namenspatronat Hindenburgs ist nach Auffassung der vom Rat eingesetzten Kommission angesichts jüngerer wissenschaftlicher Erkenntnisse und eines dadurch veränderten Geschichtsbildes nicht mehr haltbar“, begründete CDU-Oberbürgermeister Markus Lewe die Entscheidung.

Hindenburg habe hinter die Demokratie von Weimar zurückgewollt und die freiheitliche Ordnung bewusst in eine autoritär-obrigkeitliche umwandeln wollen. „Deshalb verdient Hindenburg in unserer Stadt nicht mehr die Ehre eines Straßennamens.“ Es handele sich um „eine wichtige Entscheidung, weil sie prägende Wirkung hat für das geistig-moralische Klima der Stadt“.

Damit schien ein jahrzehntelanger Streit endlich zu einem Abschluss gekommen zu sein. Schon 1947 hatten das nordrhein-westfälische Innenministerium und das Münsteraner Regierungspräsidium die Entfernung des Namens Paul von Hindenburgs angeordnet. Auch der damals in Münster eingesetzte „Ausschuss zur Umbenennung von Straßen“ entschied sich dafür. Doch der Beschluss wurde nicht umgesetzt. 1958, 1974, 1987 und 1998 – immer scheiterten Initiativen zur Umbenennung am Beharrungsvermögen von Rat und Verwaltung der konservativ-katholischen Stadt.

Doch nun droht ein erneutes Scheitern – diesmal aufgrund des Beharrungsvermögens der Münsteraner Bevölkerung. Davon jedenfalls ist die Initiative „Pro Hindenburgplatz“ überzeugt. 15.123 Stimmen sammelte sie für ein Bürgerbegehren, damit der Schlossplatz wieder seinen alten Namen erhält. 9.499 Stimmen wären erforderlich gewesen. Jetzt wird es am 16. September diesen Jahres zum Bürgerentscheid kommen.

Hilfe von Erzkatholiken und Rechtsextremen

Hinter der Initiative „Pro Hindenburgplatz“ verbirgt sich ein Kreis rechtskonservativer CDU-Mitglieder. Einer der Sprecher der Initiative ist Stefan Leschniok, ein Aktivist der „Aktion Linkstrend stoppen“. Unterstützung kommt von der Jungen Union in Münster, aber auch aus erzkatholischen Strömungen bis hin zur rechtsextremen Partei „Pro NRW“.

Viele Münsteraner würden mit dem Hindenburgplatz „ein Stück Heimat“ verbinden, argumentiert die Initiative. „Wir möchten Erinnerungskultur bewahren, anstatt die Geschichte einfach auszulöschen.“ Allerdings geht es ihr offenkundig mehr um die Rehabilitierung Hindenburgs.

So bezeichnet es der CDU-Ratsherr Bruno Kleine Borgmann als „eines der dümmsten Argumente“ gegen den letzten Reichspräsidenten, „Hindenburg als Steigbügelhalter Hitlers zu bezeichnen“. Denn, so Kleine Borgmann in einem Leserbrief: „Wer die Lebensleistung eines Menschen auf die Bewertung seiner letzten Lebensjahre bezieht, unterliegt einer gewaltigen Fehleinschätzung.“

Gegen solchen Geschichtsrevisionismus verwahren sich in einer gemeinsamen Erklärung der Vorstand des Historischen Seminars und die Fachschaft Geschichte der Universität Münster. Dass Hindenburg als jemand zu qualifizieren sei, „der gegen die erste Demokratie in Deutschland arbeitete“, stehe außer Frage. „Hinter diesen Konsens der geschichtswissenschaftlichen Forschung sollte die Debatte um die Umbenennung des Schlossplatzes nicht zurückfallen!“

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