Berliner Polizei: Wanted: Migrationshintergrund

Vor zehn Jahren startete die Berliner Polizei eine Werbekampagne, um mehr Migranten einzustellen. Ob das geklappt hat, ist unklar - die Zahlen werden nicht erfasst.

Gehen sie irgendwann zur Polizei? Berliner Schüler lernen Überleben im Straßenverkehr. Bild: dpa

Auf den Straßen nimmt man sie noch immer eher selten wahr – dennoch verrichten in der Berliner Polizei mittlerweile BeamtInnen aus mehr als hundert Staaten ihren Dienst. Die meisten von ihnen haben türkische, einige auch libanesische, italienische oder koreanische Wurzeln. Und vorausgesetzt, er schafft seine Abschlussprüfung, wird in Kürze auch ein junger Mann aus Trinidad und Tobago dabei sein.

Vor zehn Jahren startete die Berliner Polizei als erste deutsche Sicherheitsbehörde eine Werbekampagne, um Jugendliche mit Migrationshintergrund anzusprechen. Damals lag deren Anteil noch bei schlappen 1,5 Prozent. Wie viele der fertig ausgebildeten BeamtInnen selbst Migrationshintergrund haben, weiß jedoch auch die Polizei nicht zu sagen – spätestens mit der Verbeamtung nehmen PolizistInnen die deutsche Staatsbürgerschaft an. Eine rechtliche Grundlage für die Erfassung besteht damit nicht mehr. Bekannt ist in Berlin lediglich, dass unter den seit 2006 eingestellten knapp 3.300 PolizeischülerInnen 353 migrantische Wurzeln hatten – das entspricht etwa 10,8 Prozent.

Bülent Topal, der türkische Wurzeln hat, ist bereits deutlich länger dabei. Als er sich 1992 bei der Polizei bewarb, sagte er seinen Eltern zunächst lieber nichts davon, weil die ein negatives Bild von dem Beruf haben könnten – in der Türkei gilt die dortige Polizei als sehr autoritär. Als er jedoch angenommen wurde und mit der Ausbildung begann, war seine Berufswahl nicht länger zu verheimlichen. Seine Mutter sei in Tränen ausgebrochen, erzählt der heute 37-jährige Polizeikommissar, der nach fast zwölf Jahren bei der Bekämpfung organisierter Kriminalität im Landeskriminalamt heute direkt bei der dem Polizeipräsidenten unterstellten Konfliktkommission tätig ist.

In seinem Ausbildungslehrgang, sagt Topal, sei er seinerzeit der einzige Nichtdeutsche gewesen. Da seien schon einige „recht grobe Äußerungen“ gefallen – bis hin zu der Bemerkung „Na, bald ein Türke weniger?“ während der Waffenreinigung. Er habe dies alles heruntergeschluckt, um nicht als „Nestbeschmutzer“ zu gelten – und versucht, durch gute Arbeit Anerkennung zu bekommen. Für einige sei er als „unser Ali“ dann auch ein Vorzeige-Migrant gewesen, mit dem sich die Dienststelle schmücken konnte. Noch heute nimmt Topal die KollegInnen in Schutz: Viele seien einfach mit der Situation überfordert gewesen.

Serkan Salman, 34, ist fünf Jahre nach Topal zur Polizei gekommen. Er arbeitete unter anderem als Polizeiausbilder für Politische Bildung und ist heute im LKA einer der „Ansprechpartner für Interkulturelle Aufgaben“. In der Polizeischule und auf den einzelnen Dienststellen bemerke er schon, dass der Anteil der KollegInnen mit Migrationshintergrund gestiegen sei, sagt Salman. Hier hätten der ehemalige Polizeipräsident Dieter Glietsch und Vizepräsidentin Margarete Koppers viel bewirkt, bestätigt auch Topal. Dennoch werde es wohl noch ein paar Jahre dauern, bis auch MigrantInnen als „ganz normale Polizisten“ gälten, sagt Polizeioberkommissar Salman.

Vermutlich hat er damit recht. Estera Chmielewska, 33, hat polnische Wurzeln und ist seit 2004 mit ihrer Ausbildung fertig. Heute ist sie im LKA bei der Bekämpfung der Geldwäsche tätig. Familiäre Schwierigkeiten hatte sie nicht zu überwinden, sie sei sehr zufrieden mit ihrer Arbeit und gut „reingewachsen“. Doch auch Kriminaloberkommissarin Chmielewska hat sich im Dienst schon anhören müssen, Ausländer hätten bei der Polizei nichts zu suchen. Bei einigen deutschen KollegInnen werde „der Nutzen von Migranten wohl nicht so gesehen“, meint Chmielewska. Chmielewska, die wie Bülent Topal und Serkan Salman heute Deutsche ist, hofft, dass sich das noch ändere.

Seit man sich bei der Berliner Polizei nur noch online bewerben kann und der Numerus clausus weggefallen ist, sei die Zahl der Bewerber mit migrantischen Wurzeln bereits auf das Fünf- bis Sechsfache gestiegen, sagt Katja Sievert vom Einstellungsreferat – immerhin. Noch immer sind knapp 11 Prozent jedoch nicht sehr viel. Um dies zu verbessern, arbeitet Katja Sievert mit der Türkischen Gemeinde und anderen migrantischen Organisationen zusammen. Sie schickt ihre Mitarbeiter außerdem an Schulen, Jobcenter und auf Straßenfeste, um dort Jugendliche direkt anzusprechen.

Zu den „Bedarfssprachen“, die bei der Polizei bevorzugt gesucht werden, weil sie bei der täglichen Arbeit von Nutzen sein können, zählen laut Sievert neben Englisch und Türkisch auch Polnisch, Russisch und Arabisch. Aber auch die Beherrschung der deutschen Sprache ist wichtig – beim Einstellungstest gilt sie sogar als „K.-o.-Fach“. Wer hier durchfällt, für den ist der Traum von der Arbeit in der blauen Uniform zu Ende.

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