Die taz arbeitet mit DOJO zusammen: „Dick und gemütlich“ umstritten

Die Kampagne der taz.am wochenende kommt von der Berliner Werbeagentur DOJO. Wie war die Zusammenarbeit?

Das Geld liegt auf der Straße... So sehen sich die MitarbeiterInnen von DOJO. Bild: DOJO

Wer seinen Webauftritt „dojofuckingyeah” nennt, ist jung, hip und extrem cool. Oder hält sich zumindest dafür. Die taz ist nicht mehr ganz so jung (35 Jahre), ihre Hipness ist Ansichtssache und cool...? Eine gedruckte Zeitung?

Vielleicht wollten wir also jünger, hipper und cooler werden. Oder auch nicht. Sondern einfach einen anderen Blickwinkel auf ein altes Produkt, das nie aus der Mode kommt, einnehmen. Auf unsere gedruckte Zeitung, insbesondere unser Wochenend-Abo sollte nach einem aufwändigen Relaunch bekannter gemacht werden.

Der Leiter der taz-Werbeabteilung Willi Vogelpohl ließ sich vom Elan der Agentur DOJO mitreißen: „Die Agentur ist vor allem schnell. Verdammt schnell. Schnell in der Auffassungsgabe, schnell im Verstehen der spezifischen Punkte, die es zu verstehen gilt, wenn man für die taz werben soll. Und schnell in der Ausführung. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Kreativen um DOminic und JOachim so jung sind.”

Keine Papierzeitung

Dass sie jung sind, merkt man außerdem daran, dass sie keine Zeitung lesen. Also keine Papierzeitung. Aber sie können sich gut vorstellen, dass es gut sein kann, am Wochenende Zeitung zu lesen – im Bett, am Frühstückstisch, auf dem Sofa, auf der Decke im Park, auf der Bank, sonstwo. Dick und gemütlich eben.

Während es für die taz eher ein Wagnis war, sich auf diese ungewöhnliche Agentur einzulassen, war es für diese offensichtlich eine große Ehre: „Als die taz an einem verregneten Sonntagmorgen bei uns vor der Tür stand, ließen wir sie zweimal klingeln, um uns unsere Freude nicht anmerken zu lassen. Für uns war sie nach Gemüsedöner, Biosupermarkt und Stadtmagazin der letzte fehlende Stein im Kreuzberger Kundenpuzzle, und entsprechend leuchteten unsere Augenringe, als die taz uns bat, die neue Wochenend-Ausgabe unter die Leute zu bringen.” So die Jungs und Mädels von der Agentur.

Die Ansprüche der taz waren und sind hoch – dementsprechend der Druck auf die Kreativen von DOJO. Wir wollten eine Kampagne, die sich von unseren bisherigen unterschied, die zeigte, dass etwas völlig Neues kreiert worden war – und die trotzdem „tazzig" blieb. Für DOJO eine große Herausforderung: „Einige flambierte Cocktails später hatten wir die zündende Idee zwar immer noch nicht, aber Kopfschmerzen, als ob wir unser ganzes Jahres-Abo auf einmal gelesen hätten. Nachdem wir endlich alles Unnütze aus unseren Köpfen raus hatten, kam uns die Idee für die Bewerbung der neuen Wochenend-Ausgabe: taz wird dick und gemütlich. Denn schließlich sollte es in der neuen taz.am wochenende um die großen Themen der Zeit gehen, und dem Leser eine gute Ausrede für ein Wochenende auf dem Sofa geboten werden.”

Natürlich auch ein Video

Dass sie jung sind, merkt man des Weiteren daran, dass sie gar nicht mehr darüber reden, dass es natürlich auch ein Video braucht – und eine Adaption fürs Netz sowieso. Dass sie jung sind, merkt man schließlich auch daran, dass sie „auf die Straße gehen” um zu demonstrieren und „auf die Straße gehen” um eine Zeitung am Kiosk zu kaufen unverkrampft locker miteinander in einem Video verbinden können. Die taz-Werbeabteilung findet das anrührend, aufmerksamkeitsstark und in der Botschaft eindeutig. Viele MitarbeiterInnen der taz (besonders aus der Redaktion) sehen das nicht so.

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DOJO erinnern sich an den Moment der Präsentation: „Als wir die Idee dann vor versammelter Mannschaft (Geschäftsführung, Chefredaktion und Werbeleitung der taz) präsentierten, hieß es 'Das werden bestimmt viele nicht gut finden. Lasst es uns machen.' – Ab da wussten wir, dass unsere Liebe für die taz nicht nur auf dem Papier existierte."

Der taz-Geschäftsführer Andreas Bull dachte bei DOJO bisher eigentlich nur an Gemüsedöner. Seine Stimme bekam DOJO nach dem Pitch, weil sie „jung, dynamisch und frech, außerdem gut vernetzt in Berlin” sind. Zudem hält er die MitarbeiterInnen der Agentur für unkonventionell und professionell genug, die taz zu verstehen und ihr zu helfen. Als DOJO bei der Vorstellung ihrer Kampagne tatsächlich eine Titeländerung der „taz.die tageszeitung” am Samstag in „taz.am wochenende” vorschlugen, wusste er: „Die sind mutig! Das war das Entscheidende. Sie sind mit Chuzpe an die Sache rangegangen."

peinlich und denunzierend

Kaum wurde der Spot im Haus gezeigt, hagelte es interne Kritik: „Bringt das Zeigen dieses Spots mehr Nutzen oder Schaden?" war noch die harmlosere Form der Meinungsäußerung. Andere forderten zum Protest auf: „Ja, guckt euch den mal an! Und schon mal eine Schüssel bereit halten. Das ist dermaßen peinlich und denunziert das, wofür wir arbeiten. ich bin sauer."

Der Spot wurde erneut diskutiert. Überschätzten wir die Ironiefähigkeit des Publikums? Darf man demonstrierende Menschen für Werbung missbrauchen? Eine andere Kollegin schrieb: „Die taz ist nun dick und gemütlich, und auf die Straße geht hier auch niemand. Sind Stubenhocker nun die neue Zielgruppe?”

Die Kritik an dem Spot griff selbstredend auch auf die Produzierenden über: „Ach Mensch, nun sei doch nicht so!! Da haben sich doch ein paar wirklich jung und schlecht gelaunte Menschen sicher sehr viele Gedanken über die taz gemacht ...”

Kritische Haltung sich selbst gegenüber

Einige positive Stimmen mischten sich unter das Grollen aus den Redaktionsräumen: „Selbstironie ist eine Ironie, deren unmittelbare Zielscheibe die eigene Rolle oder Meinung ist und die daher eine spielerische, relativierende oder sogar kritische Haltung sich selbst gegenüber einnimmt. Selbstironie gilt daher oft als Zeichen von Humor und sympathischer Bescheidenheit bzw. steht, aufgrund ihrer immanenten Selbstkritik, auch für eine generell undogmatische Lebenseinstellung." Der Kollege zitiert Wikipedia und trifft genau den Punkt. Das wollten wir eigentlich mit dem Spot zeigen: Dass die taz für eine undogmatische Lebensführung steht.

Der Spot ist umstritten und soll es auch sein. Wäre sich die taz einmal komplett einig, dann hätte sie sicherlich einen großen Teil ihrer „Tazzigkeit” verloren.

Nicola Schwarzmaier (Sitemanagement Verlag)