Krieg in der Szene: Das Schweigen der Rocker

Mitglieder der Mongols überfallen bei Stade die Chefs des Gremium MC mit Messern und Baseballschlägern. Haftbefehle gibt es nicht – Täter und Opfer schweigen

Seltener Anblick: Rocker von Gremium MC sprechen mit der Polizei. Bild: dpa

STADE taz | „Loyal bis in den Tod“ steht in weißer Frakturschrift auf der Internetseite des Motorradclubs Gremium MC Stade. Das Chapter, so der Szenebegriff für den Stader Ableger des weltweit agierenden Clubs Gremium MC, sieht sich selbst gern als „fest verschworene und loyale Gemeinschaft von Bikern“, in der nur die eigenen Gesetze gelten.

Die Zusammenarbeit mit der Polizei lehnen die Rocker strikt ab – auch wenn sie selbst zu Opfern werden, wie kürzlich in Freiburg im Landkreis Stade. Dort griffen bei einem gut besuchten Motorrad-Treffen eines kleinen Motorradclubs Ende September rund 20 bis 30 vermummte Männer gezielt fünf Führungskräfte des Gremium MC an. Mit Baseballschlägern und Messern verletzten die Angreifer die Stader Rocker schwer – einen Mann durch einen Messerstich in den Oberkörper sogar lebensgefährlich.

Obwohl die Polizei in der gleichen Nacht vier Tatverdächtige, Mitglieder des Motorradclubs Mongols MC, aufgriff und in deren Auto Baseballschläger und Sturmhauben fand, wurde bisher kein Haftbefehl ausgestellt. „Wir sind uns sicher, dass es Mongols waren“, sagt der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Kai Thomas Breas. Die Festgenommenen hätten sogar die Kutte eines Opfers aus dem fahrenden Wagen geworfen, bevor sie von der Polizei gestoppt wurden. „Wir wissen deshalb, dass sie am Tatort waren“, sagt Breas. Inwiefern sie aber an der Tat beteiligt waren, könne die Staatsanwaltschaft bisher nicht nachweisen, denn Täter und Opfer schweigen beharrlich. „Wir haben sie wieder auf freien Fuß gesetzt“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Eine Anklage wegen schwerer Körperverletzung und versuchten Totschlags wird es ohne die Aussagen der Opfer nicht geben. „Möglicherweise können wir ihnen schweren Landfriedensbruch vorwerfen“, erklärt Breas.

Der Fall sei typisch für die Rocker-Szene. „Dieses Schweigegelübde der Polizei gegenüber ist eine Grundregel – auch bei schwersten Gewalttaten“, sagt Jörg Diehl, der ein Buch über Rockerkriege mitveröffentlichte. Die Gründe für den brutalen Überfall bleiben für Außenstehende unklar. „Grundsätzlich kann jeder Rockerclub mit jedem in einer Fehde liegen“, sagt Diehl. Und nicht nur zwischen den Gruppierungen, sondern auch untereinander gebe es oft Streit. „Es sind keine verschworenen Bruderschaften mehr“, sagt der Autor. Dabei gehe es häufig um strategische Erwägungen, Gebietsansprüche oder Geschäftsinteressen. Sogenannten Outlaw Motorcycle Gangs wird eine Nähe zur organisierten Kriminalität nachgesagt.

Dem Selbstverständnis der Szene nach könnte auf die Attacke in Freiburg eine Vergeltungsaktion folgen. „Diese Männer sind in den Gruppierungen, weil sie eins auf keinen Fall sein wollen – Opfer“, meint Diehl. Einen Rockerkrieg im Landkreis Stade befürchtet Polizeisprecher Rainer Bohmbach trotzdem nicht. „Wir haben beide Clubs im Auge.“

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