Islamfeindlichkeit in Deutschland: Der Anti-Muslim

Er ist überzeugt, dass München kein Islamzentrum braucht. Im Laufe der Jahre hat sich das einstige CSU-Mitglied Michael Stürzenberger radikalisiert.

Beruft sich gern auf den Koran, seit er einen Parteifreund in Mumbai verloren hat: Michael Stürzenberger. Bild: imago / STL

MÜNCHEN taz | An Michael Stürzenbergers Stand ist es ungewöhnlich still. Es ist Samstagmittag am Münchner Marienplatz. Der Himmel ist grau, die Luft kühl, Touristen und Passanten kreuzen den Platz aus allen Richtungen. Der bayerische Landesvorsitzende der Partei Die Freiheit hat hier seinen Infostand aufgebaut. Mindestens zweimal die Woche macht er mobil, gegen etwas, das bislang nicht mehr ist als eine Idee: das Zentrum für Islam in Europa München, kurz ZIE-M. Und er hetzt ganz unverhohlen gegen den Islam als Religion.

Seit April wird Die Freiheit vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet. Dort hat man eigens für Stürzenbergers Partei und die Münchner Gruppe des rechtspopulistischen Blogs Politically Incorrect (PI) eine neue Kategorie aufgemacht: „Islamfeindlichkeit als neue Form des politischen Extremismus“.

„Man hört Herrn Stürzenberger ja gar nicht“, sagt eine junge Frau zu den beiden Polizisten, die den Zugang zum Infostand bewachen. Der kleine Pavillon mit den Stehtischen ist mit rot-weiß lackiertem Absperrgitter umzäunt. Die Beamten tragen grüne Overalls. „Nein, der macht gerade Pause“, antwortet einer der beiden Polizisten und lächelt. Er klingt erleichtert.

Die Partei: „Die Bürgerrechtspartei für mehr Freiheit und Demokratie - Die Freiheit" gibt es seit Oktober 2010. Parteivorsitzender ist René Stadtkewitz, ehemals CDU-Mitglied. Die Freiheit bezeichnet sich selbst als „wertkonservativ". Michael Stürzenberger ist bayerischer Landesvorsitzender und stellvertretender Bundesvorsitzender der Kleinpartei.

Das Islamzentrum: Die Idee für das Zentrum für Islam in Europa München (ZIE-M ) stammt von Benjamin Idriz, Imam der islamischen Gemeinde in Penzberg. Idriz betont immer wieder, dass er einen aufgeklärten, modernen Islam vertritt. Dennoch wurde seine Gemeinde von 2007 bis 2011 vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet.

Weil Stürzenberger bisweilen über Stunden per Megaphon gegen den Islam wettert – oft hält er dabei eine Koranausgabe in der Hand –, haben sich immer wieder Anwohner beschwert. Daraufhin hat das Münchner Kreisverwaltungsreferat Auflagen verfügt. Stürzenbergers Reden dürfen nicht mehr lauter sein als 65 Dezibel. Und er muss alle zehn Minuten eine Pause machen. Gibt es keine Auflagen, ist sein Redefluss nur schwer zu stoppen.

Den Koran lesen

Blendend gelaunt erscheint Stürzenberger, großgewachsen, schlank, aschblondes Haar, rahmenlose Brille, anderntags zum Interview in einem Restaurant in München-Haidhausen. Er ist freundlich, fast kumpelhaft – bis er auf sein Thema zu sprechen kommt: Die Gefahr, die dem Islam in seinen Augen für westliche Gesellschaften innewohnt. Sein Gesicht wird ernst, der ausgestreckte Zeigefinger zuckt durch die Luft, wenn er die „Tötungsbefehle“ in den Koransuren anspricht.

„Jetzt sag’ ich ihnen mal was“, holt er aus, ein Satz, der fast jede seiner Ausführungen einleitet. Und jetzt sagt er Dinge wie: Muslime wollen die westliche Kultur unterwandern, die Weltherrschaft an sich reißen. „Schwarz auf weiß“ stehe das im Koran, man müsse ihn bloß lesen, sagt Stürzenberger. Ein Buch, das er mit Hitlers „Mein Kampf“ vergleicht. Und den Islam mit dem Nationalsozialismus. Er, Stürzenberger, agiere im Geiste der Widerstandsbewegung der Weißen Rose. Nach wenigen Minuten ist klar, was Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) unlängst dazu bewog, den Mann einen „Hassprediger“ zu nennen. Was hat Stürzenberger bloß so wütend gemacht?

Der 49-Jährige beantwortet diese Frage so: „Es ging am 11. September los.“ Nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York habe er fassungslos vor dem Fernseher gesessen und dabei erfahren, dass die Attentäter in ihren Testamenten Koranverse zitieren. Er kaufte sich das Buch und las darin. „Dann war alles klar.“

Stürzenberger arbeitete damals als Journalist. Sein Studium der Politik und Geschichte in München hat er nicht zu Ende geführt. „Ich hatte drei Jobs gleichzeitig“, erinnert er sich. Unter anderem war er Sportreporter beim „Bayern Journal“ der Sender RTL/Sat1.

Parteifreund bei Terrorangriff verloren

Einer der schon damals mit Stürzenberger zusammenarbeitete, ist Marian Offman, der seit 2002 für die CSU im Münchner Stadtrat sitzt. „Stürzenberger war früher Sportreporter, ein glühender Anhänger von 1860 München, der oft im Fußballstadion war, um von dort zu berichten.“ Früher seien sie mal per Du gewesen, sagt Offman, der auch Vorstandsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde in München ist. „Jetzt nicht mehr.“ Irgendwann, so Offman, habe Stürzenberger begonnen, antiislamische E-Mails zu verschicken. „Ich habe versucht, ihn davon abzubringen.“

2008 dann geschah etwas, das Stürzenberger offenbar weiter radikalisierte. Ralph Burkei, Schatzmeister der Münchner CSU, Vizepräsident des TSV 1860 und Chef des „Bayern-Journals“, kam am 26. November 2008 bei den Anschlägen von Mumbai ums Leben.

Burkei war als Tourist im Taj-Mahal-Hotel in Mumbai abgestiegen, das die Terroristen attackierten. Als er versuchte, über die Fassade zu flüchten, wurde er bei einem Sturz auf das Vordach schwer verletzt und verstarb kurz darauf. Die ganze Zeit über stand Burkei dabei mit seinen Parteifreunden in München per SMS in Kontakt. „Das hat sich eingereiht in meine Erfahrungen mit dem Islam“, sagt Stürzenberger heute.

Erst suchte er in der Münchner CSU nach Gesinnungsgenossen. Marian Offman erinnert sich an ein „totalitäres Auftreten“ Stürzenbergers „mit lautem Geschrei“ im Fachausschuss Integration. „Ich habe vieles versucht, aber in der CSU hat man mich nur ignoriert“, sagt Stürzenberger. Er trat im Mai 2011 aus der CSU aus und wenig später in die Partei Die Freiheit ein. Dann fällt ihm noch etwas ein: „Vor seiner Abreise nach Mumbai habe ich Burkei noch ein Buch zum Lesen mitgegeben. Der wusste ja nichts über den Islam.“

Mahner oder Spinner?

Stürzenberger sieht sich als Mahner, als Berufener, der seine Mitmenschen wachrütteln und vor einer von islamischen Schwertern und Flammen bedrohten Zukunft bewahren will. Das ist seine Variante. Marian Offman, der CSU-Stadtrat, der Stürzenberger schon lange kennt, vermutet, der Eiferer könnte von Verfolgungsängsten geplagt sein.

Der Karlsplatz, den die Münchner „Stachus“ nennen, war als Standort für das ZIE-M angedacht. Längst wurde diese Idee verworfen. Die potenzielle Anschlagsgefahr für eine Moschee dort sei viel zu groß, argumentiert die Stadtführung. Einen neuen Standort gibt es wegen der ungeklärten Finanzierung des Projekts nicht.

All das ignoriert Stürzenberger. „Keine Moschee am Stachus“ steht in dicken roten Buchstaben auf dem Rand des Pavillons, der seinen Infostand überdacht. Daneben in Grau mehrere Kuppeln mit Halbmond und zwei Minarette, durchgestrichen mit einem dicken roten X.

Seit Oktober 2011 sammelt Die Freiheit Unterschriften, Stürzenberger will ein Bürgerbegehren initiieren. Die MünchnerInnen sollen abstimmen, ob es eine Moschee geben soll oder nicht – auch wenn noch gar nicht feststeht, ob die Realisierung des Projekts je zustande kommt. 34.000 Unterschriften sind für ein Bürgerbegehren nötig. Wie viele Stürzenberger schon genau zusammen hat, weiß er angeblich nicht. „Über 30.000“, behauptet er auf Nachfrage. „Das hat er auch vor einem halben Jahr schon gesagt“, gibt Offman zu bedenken.

Zur Rede gestellt

Bei der Stadtverwaltung vermutet man hinter der Unterschriftenaktion eher, dass es Stürzenberger um die Adressen geht. Und darum, bei der Kommunalwahl im März 2014 einen Sitz im Münchner Stadtrat zu ergattern. „Eine bösartige Unterstellung“, sagt Stürzenberger.

Die junge Frau, die sich am Marienplatz langsam zu Michael Stürzenberger vorwagt, ist Amira Farid. Sie will ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen, weil der rechtspopulistische Blog PI Einträge über kritische Aktivisten mit Bild veröffentlicht.

Amira Farid ist gekommen, um Stürzenberger zur Rede zu stellen. Die 22-Jährige ist in München geboren. Ihr Vater stammt aus Ägypten, die Mutter aus Deutschland. Farid studiert Orientalistik an der LMU in München und engagiert sich in der Jungen Islamkonferenz. „Mit dem Islam“, sagt sie, „kenne ich mich aus.“ Mit ihrem Wissen will sie Stürzenberger konfrontieren.

„Herr Stürzenberger“, sagt Farid und streckt ihm die Hand entgegen. Stürzenberger hält kurz inne, mustert die junge Frau mit dem langen braunen Haar, dann ergreift er ihre Hand und sagt „Herzlich willkommen“. Farid zieht die Hand erschrocken zurück.

Kein Dialog

„Ich bin hier geboren, ich glaube nicht, dass Sie das Recht haben, mich willkommen zu heißen.“

„Alle Muslime sind aus unserer Sicht herzlich willkommen, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, die der Scharia eine Absage erteilen...“

„Was hat die Moschee mit der Scharia zu tun?“

Stürzenberger redet weiter: „...und die weiterhin eine Absage an die frauenunterdrückenden Verse des Korans erteilen, die in Befehlsform gehalten sind, sowie dem Gewalt- und Tötungsbefehl, die im Koran stehen.“

Amira Farid hebt mehrfach zu einer Erklärung an, dass die überwiegende Mehrheit der Muslime nichts davon anstrebe. „Das hat doch keinen Sinn“, sagt sie und lässt Stürzenberger stehen.

Die Münchner Stadtverwaltung setzt nicht auf Dialog. Sie verteilt Postkarten, die die BürgerInnen dazu aufrufen, ihre Unterschrift für Stürzenbergers Volksbegehren zurückzunehmen. „Tragen Sie sich aus! Die verfassungsfeindliche Partei namens ’Die Freiheit‘ täuscht Sie!“ steht darauf.

Auch eine gemeinsame Erklärung haben die Rathaus-Parteien veröffentlicht – in seltener parteiübergreifender Einmütigkeit. „Mit dem Bürgerbegehren werden von den Initiatoren pauschalisierende, diffamierende und unwahre Behauptungen über die muslimischen Bürgerinnen und Bürger unserer Heimatstadt verbreitet“, steht darin.

Stürzenberger sieht sich diffamiert. In seiner Erwiderung, die er als Reaktion auf die Erklärung verschickte, klagt er über die einseitige Berichterstattung der Medien. „Vor was haben sie Angst?“, lautet der letzte Satz in seiner Mail.

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