Demokratisierung: Ver.di: Volksentscheid über Müll

Ab dem 1. Mai will die Gewerkschaft Ver.di Unterschriften sammeln: Rekommunalisierung der Müllabfuhr ist das Ziel.

Der Bremer Müll in seiner ganzen Pracht: Wer darf hier künftig in die Vollen greifen? Bild: Klaus Wolschner

BREMEN taz | Am 1. Mai soll es losgehen – Bremens Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di will mit einem „Volksbegehren“ Druck machen für die Rekommunalisierung der Müll-Entsorgung. Die rot-grüne Koalition schiebe das Thema auf die lange Bank, sagt Ver.di-Bezirkssekretär Rainer Kuhn, das wolle Ver.di nicht mitmachen. Im Mai 2015 wird in Bremen neu gewählt – notfalls könnte am Wahltag eben auch ein Volksentscheid zur Müllfrage stattfinden, um die Parteien unter Druck zu setzen.

2018 läuft der Vertrag aus, mit dem die große Koalition im Jahr 1998 die Müll-Entsorgungsfirma „ENO“ an die private Firma Nehlsen verkauft hat. Seitdem lässt Nehlsen die früher kommunale ENO ausbluten. Neueinstellungen jüngerer Mitarbeiter fänden nicht statt, beklagen die ENO-Betriebsräte seit Langem. Die Müllwerker, die direkt bei Nehlsen angestellt sind, arbeiten für schlechtere Löhne – eine Zweiklassengesellschaft sei da entstanden.

Die ENO-Betriebsräte sind daher die treibende Kraft bei Ver.di. Sie wollen erreichen, dass die Stadtgemeinde die Müllentsorgung nicht erneut ausschreibt, sondern einer zu gründenden „Anstalt Öffentlichen Rechts“ überträgt. In deren Aufsichtsgremien sollen zu je einem Drittel Politiker, Arbeitnehmer und Bürgervertreter sitzen. „Müllabfuhr in Bürgerhand“ ist daher die Parole für die Volksentscheid-Kampagne.

Der Hochschul-Professor Ernst Mönnich, seit Jahren Kritiker der Privatisierung, hat für Ver.di ein Gutachten erstellt, nach dem die „Rekommunalisierung“ auch wirtschaftlich sinnvoll sei: Rund fünf MillionenMehrwertsteuer würde eine „Anstalt Öffentlichen Rechts“ sparen, hat Mönnich errechnet, dazu mehrere Millionen Euro Gewinn jedes Jahr, die Nehlsen einstreicht – Spielraum genug also für Investitionen und eine bessere Entlohnung der Müllwerker.

Besonders skandalös findet Ver.di, dass die Bevölkerung zwar vom Staat gezwungen wird, Gebührenerhöhungen zu bezahlen, der Staat aber gleichzeitig nicht wisse, wie viele Gewinn ENO/Nehlsen aus den Gebühren abzweige. In München funktioniert die Müllabfuhr als Eigenbetrieb, in Hamburg als Anstalt öffentliche Rechts – keine andere Großstadt hat sie wie Bremen vollkommen privatisiert, sagt der Gewerkschaftssekretär Kuhn.

Mit ihrer Ankündigung setzt Ver.di die Koalitionsparteien massiv unter Druck. Man müsse die Frage genau prüfen, sagt Dieter Reinken, der SPD-Landesvorsitzende, es gebe durchaus auch skeptische Stimmen zur Rekommunalisierung innerhalb seiner Partei. Die Bürgerschaft hatte im vergangenen Sommer das zuständige Umweltressort beauftragt, die Sach- und Rechtslage gutachterlich zu prüfen. Der Zeitplan des Ressorts, sagt Reinken, sei aber „nicht ganz ambitioniert“.

Im Klartext: Vor dem politisch brisanten Wahltermin wollte das Ressort nichts vorlegen. „Den Zeitplan kann das Ressort knicken“, sagt auch Grünen-Fraktionschef Matthias Güldner, das habe er dem Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) auch gesagt. Bei der Rekommunalisierung handele sich jedoch um eine der „bedeutsamsten Entscheidungen der nächsten Zeit“, bis zu den Sommerferien wollen die Grünen zu einer gemeinsamen Position kommen – Partei, Fraktion und Senator.

Im Rahmen eines Volksbegehrens müssen zunächst 4.000 (gültige) Unterschriften gesammelt werden, mit denen dann ein Gesetzentwurf zur Zulassung für den Volksentscheid eingereicht werden kann. Auf der Mai-Demo wird es da genug Solidarität mit den Müllwerkern geben, hofft Ver.di. Es wäre der erste kommunale Volksentscheid in Bremen.

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