Zwangsversteigerung droht: Im Tacheles spielt man schwarzer Peter

Die berühmte Kultur-Ruine Tacheles feiert einen traurigen 19. Geburtstag: Das Gebäude an der Oranienburger Straße soll zwangsversteigert werden und verschiedene Mieter liegen weiterhin mit dem Vereinsvorstand im Clinch

Dem Tacheles in seiner jetzigen Form droht das Aus. Bild: AP

Mit 19 Jahren lässt sich manchmal schon über den Kummer lachen, der einen in der Pubertät quälte. Aber eben nur manchmal. Beim Kunsthaus Tacheles ist das anders. Die 1990 von einer Künstlergruppe besetzte Ruine an der Oranienburger Straße, inzwischen Herberge für Kunstateliers und Gastronomiebetriebe, feiert am heutigen Freitag ihren 19. Geburtstag. Und löffelt noch immer an der postpubertären Suppe, von der jeder glaubt, dass sie ihm der andere eingebrockt haben muss.

Da ist zunächst einmal die Fundus-Gruppe, die den Menschen in der denkmalgeschützten Kunst-Ruine den Spaß am Feiern verdirbt. Eine Tochterfirma des Immobilienunternehmens aus Düren, die Johannishof Projektentwicklung GmbH und Co. KG, ist seit 1998 Eigentümer der Fläche und überließ dem Tacheles e. V. bis zum Auslaufen des Vertrages Ende 2008 das gesamte Gebäude zum symbolischen Betrag von 50 Cent pro Monat. Bis Dezember allerdings war der Verein guter Hoffnung, einen neuen Mietvertrag aushandeln zu können. Und zwar direkt mit einem der Gläubiger der Fundus-Gruppe, der HSH Nordbank. Dann aber stellte die HSH Mitte Dezember Antrag auf Zwangsversteigerung des Geländes. Seitdem bietet das unter Ausschluss der Öffentlichkeit laufende Verfahren reichlich Platz für Spekulationen.

So geht man im Tacheles inzwischen davon aus, dass sich Schuldner- und Gläubigerpartei überschneiden, und zwar in der Person von Fundus-Chef Anno August Jagdfeld. In einem offenem Brief vom 5. Januar 2009 an die Staatsanwaltschaften Berlin und Hamburg mutmaßt der Verein, dass die Zwangsversteigerung nur dazu dienen soll, Fundus-Chef Jagdfeld von Schulden und die HSH Nordbank von einem "faulen Kredit" zu befreien. Beide Unternehmen äußern sich gegenüber der taz nicht zu den Vorwürfen.

Auch für den Bildhauer Hüseyin Arda, der sich seit Gründungstagen für die Künstlerinitiative engagiert, ist ein Interessenkonglomerat der HSH Nordbank und Fundus denkbar. Der 39-Jährige betreibt auf dem Hof eine Werkstatt, die gleichzeitig Ausstellungsgelände ist. "Ich vermute", sagt Arda, während er einem Kollegen beim Feuermachen zuschaut, "dass der Auftrag zur Zwangsversteigerung im Interesse der Fundus-Gruppe war."

Aber auch innerhalb des Kunstbetriebs gibt es mächtig Ärger: So gab es diverse Gerichtsverfahren zwischen dem Tacheles-Verein und bestimmten Mietern. Arda selbst ist skeptisch, was den eigenen Verein angeht. Er frage sich, ob die internen Konflikte nicht vom Vorstand provoziert werden, um das Tacheles im Gespräch zu halten.

Die Sprecherin des Vereins, Linda Cerna, schüttelt den Kopf: "Glauben Sie wirklich, dass das Tacheles ein Interesse daran hat, in diesem Zusammenhang erwähnt zu werden?" Sie schiebt den schwarzen Peter den Gastronomiebetrieben zu. Durch das Umverteilungsmodell im Tacheles, der sogenannten Querfinanzierung, sollen die kommerziellen Betriebe mit ihren Einnahmen das Kunsthaus finanzieren. "Aber hier funktioniert das leider nicht", sagt Cerna. Ihren Angaben nach belaufen sich die Außenstände der Gastro-Betriebe auf fast 300.000 Euro. Auch einen Zusammenhang mit der Fundus-Gruppe möchte die Tacheles-Sprecherin ziehen: Immerhin würden die Betriebe von Fundus geduldet und mit Wasser versorgt.

Der Inhaber des Zapata, Ludwig Eben, spricht mit ruhiger Stimme gegen die Zusammenarbeit mit Fundus an. "Für die sind wir doch alle zusammen hier der Abschaum." Seine Wut richte sich aber nicht gegen das Tacheles, sondern gegen den Vorstand, der seit 2002 im Amt ist. Die lange Amtsperiode sei einer Übergangsklausel in der Vereinssatzung geschuldet. Danach bleibe der Vorstand bis zur Bestellung eines neuen Vorstandes im Amt, erklärt Eben. Zu einer Neuwahl komme es allerdings nicht, weil der Vorstand willkürlich Vereinsmitglieder rauswerfe, die ihm kritisch gegenüberstehen, so der Cafébetreiber. "Das ist ungefähr so, als hätte Schröder als Bundeskanzler gesagt: Die Bayern wählen jetzt nicht mit."

Diese internen Konflikte stehen für Tacheles-Sprecherin Cerna zurzeit allerdings an zweiter Stelle. Die bevorstehende Zwangsversteigerung, bei der der Verein mitbieten will, hat für sie oberste Priorität. Ob die etwa 300.000 Euro, die das Tacheles im Laufe der Jahre in die Bausubstanz investiert habe, als Anzahlung anerkannt werden, hänge von der Fundus-Gruppe ab, "die leider wenig bis gar nicht mit uns kommuniziert". Vielleicht ist der Geburtstag ja ein passender Anlass dafür. Für alle Beteiligten.

ALEXANDRA KUNZE

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