Jugendschützer lenken etwas ein: taz.de ab 14 Jahren

Über Nacht wurde taz.de bei der Jugendschutz-Software JusProg auch für 15-Jährige zumutbar. Vereinsvorsitzender Drenger über Kriterien, Overblocking - und wie man seine Seite von der Liste fernhält.

Jetzt doch nicht allgemein gesperrt: JusProg findet taz.de nicht ganz so bedenklich. Bild: screenshot jugendschutzprogramm.de

Innerhalb von 24 Stunden kann viel passieren. taz.de wurde zum Beispiel über Nacht wesentlich ungefährlicher für Jugendliche – zumindest in den Augen von JusProg, einer Filtersoftware für Kinder- und Jugendschutz aus Hamburg. War dort taz.de am Mittwoch noch komplett gesperrt, ist die Seite nach Einschätzung von JusProg inzwischen doch schon Jugendlichen ab 14 Jahren zumutbar.

"Auf die eingegangene Beschwerde wurde die automatisierte Einstufung angepasst", erklärt der JusProg-Vereinsvorsitzende Mirko Drenger dazu, der der taz inzwischen schriftlich einige Fragen beantwortet hat. Die Frage, warum und aufgrund welcher Kriterien taz.de in der Negativliste von JusProg auftauchte, antwortet er: "Die taz.de-Seite war zum Beispiel zwei Mal im System vorhanden, einmal mit der www.taz.de mit einer 14er Qualifizierung, ein weiteres Mal ohne "www" mit einer 18er Einschätzung, diese ist durch unseren automatischen Crawler erfolgt."

Ein durchaus interessantes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass man unter den Internetadressen "taz.de" und "www.taz.de" natürlich exakt denselben Inhalt findet - es also genau gleich eingestuft werden müsste.

Weiter erklärt Drenger: "Die Crawler orientieren sich an bestimmten Keywords, nach denen sie eine vorläufige, automatische Qualifizierung vornehmen. Bestimmte Keywords aus dem Extrem-Bereichen der Erotik, Gewalt und Politik bedingen sicherheitshalber eine automatische 18-Qualifizierung."

Der grundsätzliche Aufbau der Kriterien, an denen sich JusProg orientiert, sei auf jugendschutzprogramm.de unter dem Menüpunkt "Label-Generator" veröffentlicht, so Drenger. Dort finden sich so eindeutige Schlagworte wie "allgemein ab 16", "Verbotene Inhalte", "Waffen/Gewalt" und "Celebrity/Partypages".

"Grundsätzlich ist das Ziel dieser Filterliste, alle Themen und Inhalte im Internet, die für Kinder und Jugendliche nicht ohne Weiteres geeignet sind, zu erfassen, diese in Altersgruppen zusammenzufassen und danach die Filterliste zusammenzustellen", führt Drenger aus.

Ganz sicher scheint sich JusProg aber doch nicht zu sein, was die Jugend gefährdet und was nicht. So räumt er ein: "Die Kriterien sind sehr umfangreich und befinden sich zum Teil noch in der Erprobung und im Rahmen des Modellversuches mit der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) noch in der Diskussion". Dies geschehe gerade mit Unterstützung von Jugendschutz.net und der KJM.

Webseiten gelangen in den Fokus von JusProg, wenn Crawler, also eine Software, die das Internet durchkämmt, sie als jugendgefährdend identifiziert haben. Dann kommt, so Drenger, ein "Rating-Team" zur Überprüfung der Seiten zum Einsatz – ohne dass er in seiner schriftlichen Antwort näher darauf eingeht, wer in diesem Team sitzt und wie diese Mitarbeiter ausgebildet und qualifiziert sind.

Auch in Sachen bild.de gibt es Neuigkeiten: War die Seite bis Mittwoch nachmittag noch als unbedenklich eingestuft, wird sie laut JusProg-Suchmaske seit Donnerstag nochmals geprüft. Den Vorwurf, dass deren Kooperation mit JusProg Einfluss auf die Einstufung der Seite hat, weisst Drenger zurück: "Eine Einflussnahme oder Sonderbehandlung der Mitglieder bzw. Fördermitglieder besteht nicht."

Dass viele linke und alternative Websites auf der Liste des Vereins landeten, erklärt Drenger so: "Gerade viele Blogger wissen um die Vorteile von bestimmten 'reisserischen' Keywords wenn es um die Relevanz bei Google geht und verwenden oft sehr geschickt in völlig harmlosen Zusammenhängen diese Worte. Unsere Crawler reagieren auf diese Keywords und stufen die Seite erst einmal vorsichtshalber als ab 18 ein." Und beruhigt gleichzeitig: "Alle Anfragen und Beschwerden werden gesichtet und entsprechend angepasst."

Allerdings kommt die Begründung der Sperrung in eher kryptischem Ton daher: Mittwoch Nacht antwortete ein Helpdesk-Team auf die Beschwerde von taz.de: "Die Seite taz.de (...) kann von Ihnen selbst natürlich sofort wieder mittels Admin Passwort als einzelne URL oder Rubrik freigegeben werden." Vielleicht war damit gemeint, dass ein Elternteil, das die JusProg-Software benutzt die Seite individuell wieder freigeben kann? taz.de hatte sich bei der Anfrage allerdings eindeutig als Seitenbetreiber zu Erkennen gegeben. Weiter heisst es in der Mail: "Bei unserer Software geht es nicht nur um Erotik, sondern auch den Schutz von Kindern im Netz vor unmoderierten Foren etc." Auch unmoderierte Foren gibt es bei taz.de nicht. Was genau also die Gründe für die Einstufung von taz.de sind, wird auch auf diesem Weg nicht beantwortet.

Und Drenger verrät auch, wie man seine eigene Seite ganz einfach von der JusProg-Liste herunterholen kann: Er empfiehlt allen Anbietern, ihre Seite mit einem ICRA-Label zu versehen, mit dem man selbst angeben kann, ob auf der eigenen Homepage "erigierte Penisse", "Verletzung von Fantasiefiguren", "Gotteslästerung" oder "moderate Kraftausdrücke" enthalten sind.

Außerdem kann der Seitenbetreiber dort selbst Einschätzen, ob seine Seite "Inhalte, die Kindern schlechtes Vorbild sind" enthalten. "Diese Selbstklassifizierung führt dazu, dass unsere Software automatisiert die Seite erkennt und entsprechend ausspielen kann. So hat jeder Seitenbetreiber seine Einstufung selbst in der Hand, weil das Label die Liste 'schlägt'", erklärt der Vereinsvorsitzende von JusProg.

Dass derzeit sowohl an den Sperrkriterien als auch an der Einstufung vieler Seiten gearbeitet wird, hindert Drenger aber nicht daran, die Anwendung seiner Jugendschutzsoftware für empfehlenswert zu halten. Ein gewisses Overblocking, so Drenger, sei "systembedingt" und eher im Sinne der Eltern, die die Software einsetzen. Er berichtet von 1.500 Downloads der JusProg-Software im Monat.

Auch darin, dass er hauptberuflich bei der Porno- und Erotikseite Fundorado beschäftigt ist, findet Drenger nichts anstößig: "Als Anbieter von sog. entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten sind wir einerseits gemäß Jugendmedienschutz Staatsvertrag §11 dazu verpflichtet, eine solche Software einzusetzen bzw. zu entwickeln, andererseits kennen wir viele 'Ecken und Winkel' im Internet, die wichtig sind um eine solche Software zu entwickeln."

Gerade wenn man sich mit diesen gewissen Ecken und Winkeln im Netz auskennen würde, ist es fraglich, warum es ebenfalls bis Donnerstag brauchte, bis das Imageboard krautchan.net ins Visier der JusProg-Macher geriet. Denn auf dieser Seite fand sich nicht nur die gefälschte Amokandrohung von Winnenden, sondern werden immer wieder auch Pornos oder Mobbing-Kampagnen zumindest stundenweise gepostet.

Derzeit ist sich anscheinend JusProg selbst noch nicht ganz sicher, welche Inhalte für Jugendliche bedenklich sind und welche nicht. Darum darf man sehr gespannt sein, welche Seiten sich noch in zwei Wochen auf der Liste befinden, und welche nicht mehr.

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