Gedenken an Afrika-Konferenz: Die blinden Flecken in der Erinnerung

Auf der Berliner Afrika-Konferenz vor 125 Jahren wurde faktisch die Aufteilung des Kontinents beschlossen. Das offizielle Gedenken daran ist dürftig. Ein Bündnis will die kollektive Erinnerung auffrischen.

Ein historischer Stich zeigt die Unterzeichnung der Generalakte der Kongo-Konferenz in Berlin am 26. Februar 1885 Bild: dpa

Auch Lücken haben eine Bedeutung. Um dieses Nichtgesagte, Nichtgesehene und Nichtdargestellte geht es den fünf jungen Frauen, die derzeit die Bestände des Deutschen Historischen Museums unter die Lupe nehmen. Wichtiger als das, was die Ausstellung über deutsche Geschichte zeigt, ist für sie das, was sie verschweigt: die blinden Flecken im kollektiven Gedächtnis.

Dass sich die Frauen gerade dafür interessieren, hat einen bestimmten Grund. Die studierten Geschichts- und Afrikawissenschaftlerinnen promovieren über den Kolonialismus - und der wird nicht nur in Schulbüchern, sondern auch im Museum stiefmütterlich behandelt. Deshalb haben sich die Doktorandinnen etwas ausgedacht: einen kolonialkritischen Museumsrundgang. "Anhand der Museumsbestände wollen wir fragen, welchen Stellenwert die deutsche Kolonialgeschichte in der offiziellen Erinnerungspolitik einnimmt", sagt Mitorganisatorin Susann Lewerenz.

Anlass des Projektes ist die Afrika-Konferenz vor 125 Jahren. Damals tagten vom 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885 die Vertreter von 13 europäischen Staaten, der USA und des Osmanischen Reichs im Berliner Reichskanzlerpalais, um das weitere Vorgehen auf dem afrikanischen Kontinent zu besprechen. Unter der Leitung des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck legten die Kolonialmächte Spielregeln für den künftigen Erwerb von Ländern fest und unterwarfen so beinahe den gesamten Kontinent ihrer Herrschaft.

"Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit" nennt Sven Mekarides deswegen die Kolonialzeit. Er ist Sprecher des Bündnisses "125 Jahre Afrika-Konferenz", eines zivilgesellschaftlichen Zusammenschlusses. Mit verschiedenen Aktionen will das Bündnis in den nächsten Monaten eine Diskussion über die Kolonialvergangenheit Deutschlands anregen. Auftakt wird eine Demonstration am Sonntag sein, die am ehemaligen Reichskanzlerpalais in der Wilhelmstraße beginnt. Dass die Politik einen großen Bogen um das Thema macht, bedauert Mekarides. "Da fehlt die Bereitschaft zur konsequenten Auseinandersetzung."

Zwar hatte die frühere Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul im Jahr 2004 eine Rede anlässlich des 100. Jahrestags des Kolonialkriegsbeginns im damaligen Deutsch-Südwestafrika gehalten. Den Krieg, in dessen Folge mindestens 70.000 Namibier ihr Leben ließen, bezeichnete die Ministerin dabei indirekt als Völkermord. Aber mehr ist aus Angst vor Reparationsansprüchen offenbar nicht drin.

Die fernen Kolonien waren gerade in Berlin präsent. Das Reichskolonialamt hatte hier seinen Sitz, im "Seminar für Orientalische Sprachen" paukten Kolonialbeamte die Sprachen Swahili oder Nama, und in den Kolonialwarenläden boten Händler Kaffee und Tabak aus den Kolonien an.

So manches Relikt ist auch heute noch sichtbar, weiß der Historiker Joachim Zeller. "Im Virchow-Klinikum lagern Schädel aus den Kolonien, und das Ethnologische Museum ist voll mit kolonialer Raubkunst." Auch die Namen einiger Berliner Straßen sind ein Vermächtnis dieser Zeit. Trotzdem gebe es ein "atemberaubendes Desinteresse". Zeller hält deshalb das zivilgesellschaftliche Engagement für "unendlich wichtig". Wer sollte es machen, wenn nicht die?

Das dachte sich auch Victor Dzidzonou vom Verein Afrika-Forum, als er 2004 die "Gedenktafel zur Erinnerung an die Berliner Afrika-Konferenz" initiierte. Seitdem erinnert eine bunte Tafel in der Wilhelmstraße an das Ereignis. Die Unterstützung durch politische Akteure vermisst Dzidzonou. Den Grund für die Zurückhaltung sieht er in der Fokussierung der deutschen Geschichtsschreibung auf den Nationalsozialismus. "Der Holocaust ist eben noch frischer."

Dass Kolonialopfer generell mit wenig Aufmerksamkeit bedacht werden, bemerkt auch die Afrikanistin Marianne Bechhaus-Gerst. In Berlin veranlasste sie den ersten Stolperstein für ein afrikanisches Opfer des Nationalsozialismus, den Kolonialmigranten Mahjub bin Adam Mohamed. "Menschen afrikanischer Herkunft werden nicht als Opfergruppe wahrgenommen", kritisiert Bechhaus-Gerst, die wie Dzidzonou und Zeller das Bündnis unterstützt.

Das offizielle Gedenken wird indes eher klein ausfallen. Der Beirat Entwicklungszusammenarbeit des Berliner Senats wird eine Konferenz zum Thema veranstalten. Diese werde vom Senat "ideell und logistisch" unterstützt, teilt Senatskanzleisprecher Günter Kolodziej mit. Allerdings sei die Erinnerung "eher eine bundespolitische Aufgabe". Das sieht man im Auswärtigen Amt aber anders: Hier ist keine Gedenkveranstaltung geplant. "Für uns hat eine Vertiefung der künftigen Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent Priorität", so die Begründung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.