Panama Papers Die Industrieländer wollen Steueroasen bekämpfen. Doch die Maßnahmen lassen Schlupflöcher
: Die große Austrockne

Keine Scham? Demonstranten vor dem isländischen Parlament. Premier Gunnlaugsson ist wegen Beteiligung an einer Briefkastenfirma inzwischen zurückgetreten Foto: Halldor Kolbeins/afp

von Ingo Arzt

Seit dieser Woche grassiert die Lust am Austrocknen – von Steueroasen. Eine davon, „Panama“, ist das neue Synonym für Steuerbetrug und Geldwäsche. Weltweit haben Medien geleakte Daten des dort ansässigen Dienstleisters Mossack Fonseca ausgewertet, die der Süddeutschen Zeitung von einem Informanten zugespielt worden waren – der sich nun, so sagt SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach, in Lebensgefahr befinde.

Die Auswertung der Daten legt offen, wie eine Finanz­industrie Billionen von Dollar am Staat vorbeischleust, um Mafia­geld zu waschen, UN-Sanktionen zu unterlaufen oder Steuern zu hinterziehen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble plädiert für eine globale ­„Transparenzoffensive“, nächste Woche will er auf der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds Ideen präsentieren. EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici droht unwilligen Steueroasen mit Sanktionen und will eine schwarze Liste erstellen – auf der auch die USA und Deutschland zu finden sein müssten.

Zu diesem Ergebnis kommt das Tax Justice Network, eine Organisation, die sich für ein globales Vorgehen gegen Steuerhinterzieher einsetzt. Seit 2009 veröffentlicht die Organisation ein Ranking der besten Steueroasen, in denen zwischen 21 und 31 Billionen Dollar gebunkert sind. An der Spitze steht die Schweiz, die USA halten Platz drei, Deutschland ist Nummer acht, noch vor Panama. Markus Meinzer, Autor des Buches „Steueroase Deutschland“ analysiert für das Netzwerk die internationalen Reformen der letzten Jahre. Bringen die was? „Jein“, sagt Meinzer. Und macht auf einen bemerkenswerte Umstand aufmerksam: Gerade Entwicklungsländern nützten die Reformen bisher wenig. Sie trifft Steuerflucht besonders hart. „Das ist ein echter Skandal“, sagt er.

Dabei versuchen die Staaten, Steuerflucht und Geldwäsche zu bekämpfen. Aber es gibt ein Problem: International gilt der Grundsatz, dass jeder Staat seine Bürger selbst besteuert. Wer Geld im Ausland bunkert, das dort Zinsen frisst, zahlt in seinem Heimatland die dort gültigen Abgaben – so die Theo­rie. In der Praxis wissen Behörden oft nichts von den Geldern, weil sie international kaum Daten austauschen.

Das soll sich ändern. Die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer G 20 haben vor zwei Jahren einen Aktionsplan dagegen vorgelegt, die OECD erarbeitete ein System, mit dem sich Staaten automatisch informieren, wo ihre Staatsbürger Geld horten. 2017 und 2018 tritt es schrittweise in Kraft. 96 Rechtsgebiete haben es unterzeichnet, auch die Kanalinsel Isle of Man und die British Virgin Islands, die keine eigenen Staaten sind.

Die spanische Finanzverwaltung müsste dann erfahren, wenn der Fußballer Lionel Messi Geld auf Offshorekonten schiebt. Allerdings gibt es 35 Schlupflöcher, die das Tax Justice Network auflistet.

Hier ein kleines Best of:

Wohnsitz wechseln

Man wechselt seinen „steuerlichen Wohnsitz“, um den Datenaustausch zu umgehen. Um als Deutscher nicht mehr in Deutschland Steuern zahlen zu müssen, muss man mindestens 183 Tage im Jahr anderswo leben. Allerdings stellen Rechtsgebiete wie Gibraltar, Malta oder diverse Karibikinseln auch so Zertifikate aus, auf denen steht, dass man dort wohnt. Man kann das Zertikfikat im Internet legal kaufen. Das dann der Bank in der Schweiz geben, und schon wandern die Daten über die dort verdienten Zinsen an die Behörden einer Steueroase – und nicht an die in Deutschland.

Geldbetrag stückeln

Wer als Steuerflüchtling anonym bleiben will, kann ganz einfach seinen Steuerwohnsitz wechseln

Wer bereits ein Offshorefirmenkonto in einer Steueroase hat, hat es gut. Sind dort weniger als 250.000 Euro drauf, werden die Daten auch künftig nicht nach Deutschland übertragen. In vielen Steueroasen können noch bis Ende 2016 entsprechende Konten eröffnet werden. Dienstleister stehen bereit. Wer mehr als 250.000 hat: Verwandte eintragen lassen, fertig.

Aktiv werden

Wer nicht will, dass seine Offshorefirma automatisch dem Fiskus gemeldet wird, der sorgt dafür, dass sie als „aktive Firma“ gilt. Nur „passive Firmen“ fallen unter den Datenaustausch. Passiv wäre eine reine Finanzverwaltung. Aktiv ist eine Firma, die mindestens die Hälfte ihres Umsatzes mit echten Geschäften erwirtschaftet – also etwa Dienstleistungen anbietet. Oder so tut, als ob.

Hinzu kommen weitere Schwachpunkte: Die Daten werden nur wechselseitig ausgetauscht – mit hohen technischen Standards, die viele Entwicklungsländer nicht einhalten können. Gerade die ärmsten Länder, die unter massiver Steuerflucht ihrer Eliten leiden, werden nicht erfahren, wie viel Geld anderswo illegal lagert.

„Es ist immer noch eine gute Portion Vertrauen in die Ehrlichkeit der Banker und der politischen Leiter unserer Behörden notwendig“, sagt Meinzer. Und das klingt nicht sehr beruhigend.

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