Bremer Zivilklausel-Streit: Oliv ist keine Grauzone

Grauzonen des Dual Use? Rot-Grün macht es sich einfacher: Selbst eine unmittelbare Kooperation mit der Bundeswehr sei okay

Friedenswerkzeuge von Rheinmetall Defence: Auch mit dieser Firma betreibt die Hochschule Bremen einen Dualen Studiengang Foto: Ingo Wagner (dpa)

BREMEN taz | Selbstverständlich dient die Bundeswehr dem Frieden. Die neue institutionelle Kooperation zwischen der Bremer Hochschule und der Bundeswehr verstößt daher keineswegs, folgt man der Expertise des Justizressorts, gegen die im Bremer Hochschulgesetz verankerte Zivilklausel.

Die nämlich fordert, dass die Bremer Hochschulen in Forschung, Lehre und Studium „ausschließlich friedliche Zwecke“ verfolgen. Dieser Hermeneutik zufolge passt es also geradezu wie die Faust aufs Auge, dass die Hochschule ab kommendem Oktober ein Viertel der Plätze im Internationalen Frauen-Studiengang Informatik (IFI) der Bundeswehr überlässt.

Ein entsprechender Vertrag mit dem Bundesamt für das Personalwesen der Bundeswehr wurde bereits von der Hochschule abgeschlossen – die seit Längerem Schwierigkeiten hat, genügend Bewerberinnen für ihren IFI-Studiengang zu finden. Aber verstößt sie damit – wenn schon nicht gegen den Wortlaut der offenbar der sehr interpretationsfähigen, erst vor zwei Monaten ins Bremer Hochschulgesetz aufgenommenen Zivilklausel – gegen ihre selbst beschlossenen Regeln?

Die Hochschule hat sich verpflichtet, sich nicht an „Projekten mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung“ zu beteiligen. Dass die Bundeswehr eine „militärische Zielsetzung“ hat, wird möglicherweise niemand ernsthaft bestreiten. Aber: „Militärisch“ sei ja nicht gleichbedeutend mit „unfriedlich“, stellt das Justizressort in einem weiteren argumentativen Zirkelschluss fest. So gesehen könnte sich die Bundeswehr freilich sogar selbst eine Zivilklausel verpassen, ohne dass das ihren Aktionsradius im Mindesten einschränken würde.

Die Hochschule selbst begründet den Verstoß gegen den Wortlaut ihrer eigenen Regeln mit einem etwas pragmatischeren Hinweis: Geschult würden ja keine Soldatinnen, sondern Zivilangestellte der Bundeswehr. Genauer: Anwärterinnen für den gehobenen technischen Verwaltungsdienst.

Während die Linkspartei nun vehement gegen den „eindeutigen Verstoß“ gegen das Hochschulgesetz protestiert, wie deren wissenschaftspolitische Sprecherin Miriam Strunge betont, steht die Mehrheit der Regierungskoalition hinter der Hochschule. Doch schon bei deren Nachwuchsorganisationen erodiert die Bereitschaft zur Dehnung der Zivilklausel: Der „klare Bruch“ des Hochschulgesetzes, warnen die Jusos, ermögliche es der Bundeswehr, „gezielter in klar militärischen Bereichen wie dem sogenannten ,Cyber-War' zu kooperieren“.

Nun sucht zwar das Verteidigungsministerium in der Tat händeringend nach IT-Kräften, um entsprechende Truppen aufstellen zu können – dass es den Cyber-Krieg mit Verwaltungsdienst-Anwärterinnen führen will, ist dennoch nicht zu erwarten.

Neben dem Problem des Bruchs der hochschuleigenen Zivilklausel bleibt allerdings die Frage, ob der gerade geschlossene Vertrag ein Einfallstor für künftige weitergehende Kooperationen mit der Bundeswehr ist. Die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Henrike Müller, fordert daher nun die Einsetzung einer Ethik-Kommission, die den Fortgang der Zusammenarbeit im Auge behält. In der Sache selbst wurde sie von ihrer eigenen Fraktion überstimmt: „Politisch und persönlich“, sagte sie gestern der taz, halte sie den Kooperationsvertrag für falsch.

Für Arno Gottschalk, seitens der SPD für Hochschulen zuständig, beginnt das Problem erst bei der Frage des Curriculums: So lange die Bundeswehr keinen Einfluss auf den Lehrplan der Hochschule nehme, sieht er die Zivilklausel als nicht verletzt an. Im Gegenteil: Es sei positiv, wenn Bundeswehrangehörige im Rahmen einer zivilen Hochschulausbildung auch mit ethischen und gesellschaftlichen Fragen in Kontakt kämen.

Der dafür zuständige Dozent hat allerdings schon seinen sofortigen Rückzug bekann gegeben: Für ihn, sagt Ralf Streibl, käme es keinesfalls infrage, „Teil dieser strukturellen Kooperation zu sein“.

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