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: Die Sendung mit der Maus: Blutiger Hack in Oregon

Green Room (USA 2015, Regie: Jeremy Saulnier)

Gut läuft es nicht für die US-Punkband The Ain’t Rights. Kein Benzin mehr im Tank, kein Konzertort in Sicht. Also nehmen sie, was sie on the road kriegen. Und was sie kriegen, ist übel: eine finstere Kaschemme hinter den sieben Bergen Oregons, noch dazu handelt es sich – an den vielen Hakenkreuzen und Runen und auch den Kleidern und den Frisuren wird das sehr schnell ersichtlich – um einen Treffpunkt finsterer Nazi-Gestalten. Die fahren auf den Krach der Ain’t Rights im Prinzip durchaus ab, musikalisch ist die Differenz nicht so wahnsinnig groß; mit ihrem Dead-Kennedys-Cover „Nazi Punks Fuck Off“ stoßen sie aber nicht auf offene Ohren. Flaschen fliegen, die Stimmung kippt.

Stille über dem Chaos

Schön ist, wie Regisseur Jeremy Saulnier hier, wie auch an anderen Stellen, nicht das tut, was man erwartet. Er treibt den Soundpegel nicht hoch bis zur Eskalation, sondern legt Beinahestille über das Chaos. Vorher schon hat er einmal den Tonabnehmer auf eine Platte sinken lassen, und bevor der Krach richtig beginnt, sehr kühl elliptisch auf das Rauschen am Ende der Rille geschnitten. Da ist schon klar: „Green Room“ ist ein Film, der sich zwar ganz entschieden ins Thrillergenre mit Aszendent Slasher begibt. Dort aber wird er sich auf die kleinen Unterschiede in Kameraführung, Stimmung und der rechten Mischung aus Deutlichkeit und Subtilität kaprizieren, die zwischen dem faden Aufguss vertrauter Muster und der originellen Variation liegen.

Saulnier wird seit dem Vorgänger „Blue Ruin“, der in Cannes in der Quinzaine lief und den Kritikerpreis gewann, als Erneuerer des Genres ge­feiert. Und auch in „Green Room“ macht er keinen Quatsch: Das geht sehr straight ab in Richtung Dezimierung mit Final-Girl/Final-Boy/Final-Couple-Teleologie.

Einmal den Arm durch den falschen Türspalt gesteckt, und das Ergebnis ist blutiger Hack, der nur mit Gaffer-Tape notdürftig geklebt werden kann. Denn die Missstimmung, die der Anti-Nazi-Song hervorrief, ist erst der vergleichsweise sehr harmlose Anfang. Es liegt im Hinterzimmer nämlich eine weibliche Leiche, das Messer steckt – zack – in der Stirn knapp über der Braue. Etwas ist eskaliert, und Pat, der Sänger der Band, gerät mitten hinein. Er sieht, was er besser nicht gesehen hätte. Die Polizei kommt, und sie fährt wieder weg. Das ist nicht gut. Der Besitzer des Ladens kommt, und er bleibt. Das ist viel schlechter. Denn er sinnt auf Methoden, alle Zeugen der Bluttat verschwinden zu lassen. Er erzielt mehr als nur Anfangserfolge. Pat und die Ain’t Rights sitzen schnell fest in einem Zimmer, dem titelgebenden Green Room, und ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt, bei dem mit nicht wenigen der Beteiligten das passiert, was bei Katz-und-Maus-Spielen üblicherweise der Maus widerfährt.

Spritzende Waffen

Wie Saulnier das in Szene setzt, ist gekonnt, mit stumpfen und spitzen, scharfen und spritzenden Waffen. Die schärfste Waffe, die er besitzt, ist allerdings sein mehr als exquisites Darstellerteam. Im Zentrum steht der kurz nach dem Filmstart so unglücklich ums Leben gekommene ­Anton Yelchin, der die Stärke seiner Figur virtuos aus verletzlichem Stoff schält. Sehr ruhig und mehr als bedrohlich ist Patrick Stewart, der das Kommando mit auf sanft britische Weise tödlichen Anweisungen führt. Und Imogen Poots blickt und handelt mit eigenwilliger Punkfrisur angenehm aggressiv. Nichts von dem, was „Green Room“ bietet, ist wirklich Neuland. Aber wie Saulnier die Schrauben anzieht, wie er auf Beiwerk verzichtet und sehr präzise ins Nervenzentrum der Zuschauer zielt, das hat so große Klasse, dass nicht nur dieser Film großes Vergnügen bereitet, sondern dass man sich auf alles, was von Saulnier kommen wird, jetzt schon sehr freut. Ekkehard Knörer

Die DVD ist ab rund 11 Euro im Handel erhältlich