Hamburgs Justizsenator über Hate Speech: „Facebook soll entschädigen“

Till Steffen (Grüne) fordert finanziellen Druck auf Online-Netzwerke, damit diese rechtswidrige Hassbotschaften schneller löschen.

Zwei Menschen halten ihre Mittelfinger in die Luft

Was tun gegen Hass im Netz? Foto: dpa

taz: Sie wollen, dass die nächste Justizministerkonferenz über Hassbotschaften auf Facebook diskutieren. Was ist Ihr Ziel?

Till Steffen: Es reicht nicht, dass der Bundesjustizminister mit den sozialen Netzwerken Kaffee trinkt. Wir brauchen klare Regeln: Beschwerden über Hassbotschaften sollen binnen 24 Stunden geprüft werden, und wenn das Posting illegal ist, soll es sofort gelöscht werden. Das haben die Netzwerke dem Justizministerium bereits versprochen, doch Tests im Auftrag des Ministeriums haben gezeigt, dass die Netzwerke davon noch weit entfernt sind.

Was schlagen Sie vor?

Nutzer, die auf Facebook beleidigt oder verleumdet wurden, sollen von Facebook eine pauschalierte Entschädigung erhalten – wenn das Posting nicht binnen 24 Stunden nach einer berechtigten Beschwerde beseitigt wurde. Offensichtlich braucht Facebook finanziellen Druck, damit es seinen Aufgaben nachkommt.

An welche Summen denken Sie?

Das hängt von der Schwere der Beleidigung und von der Verzögerung beim Löschen ab. Über die Höhe der Entschädigung müssen letztlich die Gerichte entscheiden. Wichtig ist, dass es um typisierte Pauschalsummen geht und die Betroffenen nicht ihre Beeinträchtigung im Einzelfall nachweisen müssen, etwa durch ein psychologisches Gutachten. Das Verfahren soll einfach und unbürokratisch sein.

Bei Volksverhetzung oder Hakenkreuz-Postings gibt es keine individuell Betroffenen.

Hier könnten Bußgelder verhängt werden – im Einzelfall oder auch generell, wenn ein Netzwerk kein funktionierendes Beschwerdemanagement unterhält.

Warum werden selbst eindeutig rechtswidrige Postings nicht oder erst spät entfernt?

43, ist seit 2015 Justizsenator in Hamburg. Von 2008 bis 2010 war er schon einmal Justizsenator. Seit 1990 ist er Mitglied der Grünen, seit 1997 arbeitet der gebürtige Wiesbadener als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Verwaltungsrecht.

Ich vermute, die Netzwerke haben viel zu wenig deutschsprachige Mitarbeiter für diese Aufgabe. Nackte Brüste erkennt jeder. Aber um eine strafbare Beleidigung von einer straflosen Polemik zu unterscheiden, sind konkrete Sprachkenntnisse erforderlich.

Facebook Europe sitzt in Irland. Man hört, es sei auch schwierig, dort Abmahnungen oder andere Unterlassungsbegehren zuzustellen.

Eine EU-Verordnung stellt zwar die Zustellung von gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken sicher, es dauert allerdings zu lange. Man kann nicht zwei Wochen warten, bis ein Schriftstück zugestellt ist, wenn jemand auf Facebook öffentlich eine Vergewaltigung androht. Deshalb schlagen wir vor, dass soziale Netzwerke zumindest einen Bevollmächtigten in Deutschland benennen müssen. Diesem Bevollmächtigten können dann juristische Schreiben kurzfristig und wirksam zugestellt werden, wenn einfache Beschwerden im jeweiligen Netzwerk keinen Erfolg haben.

Wie schätzen Sie die Chancen Ihrer Initiativen ein?

Bisher haben wir aus Länderkreisen viele positive Rückmeldungen erhalten. Gesetzgeber ist aber der Bund. Justizminister Maas ist noch sehr zögerlich und beschränkt sich auf runde Tische.

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