Sexualstrafrecht in der Türkei: Umstrittenes Gesetz zurückgestellt

Nach Kritik aus dem In- und Ausland zieht die AKP den Gesetzesentwurf zu Sexualstraftaten an Minderjährigen zurück. Der Entwurf soll weiterentwickelt werden.

Frauen protestieren gegen das neue Gesetz

In Ankara haben Frauen am Sonnabend lautstark gegen das neue Sexualstrafgesetz protestiert Foto: ap

ISTANBUL dpa/afp | Nach heftigen Protesten wird das von der Regierungspartei AKP in der Türkei geplante Gesetz zu Sexualstraftaten an Minderjährigen zunächst zurückgestellt. Der Entwurf werde zurück in die zuständige Kommission überwiesen, sagte der Ministerpräsident und AKP-Chef Binali Yildirim am Dienstag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in Istanbul. Zusammen mit der Opposition im Parlament und mit anderen gesellschaftlichen Gruppen solle der Entwurf weiterentwickelt werden.

Über das Gesetzesvorhaben sollte ursprünglich am Dienstag im Parlament abgestimmt werden. Kritiker hatten bemängelt, dass das Gesetz in bestimmten Fällen zu Straffreiheit bei sexuellem Missbrauch von Minderjährigen hätte führen können.

Der vom türkischen Parlament in erster Lesung gebilligten Gesetzentwurf hatte vorgesehen, dass die Verurteilung wegen sexueller Übergriffe gegen Minderjährige ausgesetzt werden kann, wenn der Täter sein Opfer heiratet und der sexuelle Kontakt ohne „Gewalt, Drohung oder jegliche andere Form von Zwang“ stattgefunden hatte. Er bezog sich nur auf Fälle vor dem 16. November.

Nach heftiger Kritik aus dem In- und Ausland hat sich die türkische Regierung zu Änderungen an dem Gesetzentwurf bereit erklärt. Sollten die Oppositionsparteien Änderungsvorschläge machen, „dann werden wir sie studieren“, sagte Regierungssprecher Numan Kurtulmus am Montag. Er versicherte zudem nochmals, dass es der Regierung mit dem Entwurf nicht um eine „Amnestie“ für Sexualstraftäter gehe.

Auch Menschenrechtsorganisationen und die Vereinten Nationen äußerten sich besorgt über das Gesetzesvorhaben. „Diese schändlichen Formen der Gewalt gegen Kinder sind Verbrechen, die als solche und in jedem Fall bestraft werden sollten“, erklärte beispielsweise das UN-Kinderhilfswerks Unicef. Der Gesetzentwurf bedeute „eine Art Amnestie“ für jene, die sich des Missbrauchs von Kindern schuldig gemacht hätten.

Dagegen betonte Justizminister Bekir Bozdag, bei den betroffenen Tätern handele es sich nicht um Vergewaltiger, und bei dem Gesetz gehe es vielmehr um den „Schutz von Kindern“. Ehen mit Minderjährigen seien leider eine „Realität“ im Land. Wenn daraus ein Kind hervorgehe, informiere der Arzt den Staatsanwalt, der Mann lande im Gefängnis und seine Familie gerate in Schwierigkeiten.

Das Mindestalter für legales Heiraten liegt in der Türkei bei 17 Jahren – mit Zustimmung der Eltern. Besonders im Osten des Landes wird dieses Alter bei Mädchen noch immer häufig unterschritten. In einigen besonderen Ausnahmefällen dürfen Mädchen mit richterlicher Genehmigung auch mit 16 Jahren heiraten.

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